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Raumschiff der Generationen

Raumschiff der Generationen

Titel: Raumschiff der Generationen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Fischer
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Marc dem Mädchen, das ihn in die Redaktion führte. Er musterte die Diktiereinrichtung und ließ sich zögernd in dem Sessel nieder.
    »Wie sind Sie eigentlich an die Kassette gekommen, Rhea?«
    »Erdmut Shagg hat sie gefunden. Er ist Elektronentechniker. Ein Defekt in der Führungsspur der Rohrbahn am Südpol hatte automatisch den Verkehr blockiert. Erdmut wurde zum Südpolkreuz beordert, um die Robbies bei der Reparatur zu überwachen. Dabei mußten Segmente aus der alten Wandung herausgeschnitten werden, wie ich ihn verstanden habe. Bei dieser Arbeit stieß er auf Überreste von elektronischen Geräten und fand auch ein halbes Dutzend alter Videokassetten. Er hat sie dann gleich hierhergebracht.«
    »Was war denn auf den anderen drauf?«
    »Wir haben sie noch gar nicht abgespielt«, erwiderte Rhea. »Der Beschriftung nach handelt es sich um soziologische und wirtschaftliche Statistiken aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert. Auf der einen Kassette stand: ›Achtung! Geheim!‹ Die haben wir gleich laufen lassen. Als der Chef sah, was sich da abspielte, hat er Sie sofort zurückgeholt.«
    Marc dachte nach. Vielleicht war die Kassette eine Fälschung. Zuzutrauen war Carezzini alles. Die Szenen konnten gestellt sein. Zwar war es unmöglich, derartige Kulissen im SCHIFF aufzubauen, noch dazu so aufzubauen, daß die schrecklichen Szenen der Zerstörung wirklich glaubhaft wurden. Aber es war ja immerhin möglich, daß Carezzinis Spezialisten aus den mehr als fünftausend modernen Videokassetten, die im Archiv lagerten, die Szenen zusammengeschnitten hatten. Marc schüttelte den Kopf. Ziemlich zweifelhaft.
    Er hob den Kopf, bemerkte, daß Rhea ihn ansah.
    »Marc – kann das wirklich wahr sein? Ich meine, können Menschen …«
    Sie brach ab, starrte ihn an, und es schien, als ob sie einen Augenblick hoffte, daß er den Kopf schütteln, daß er sagen würde: ›Nein, Rhea, das können Menschen nicht getan haben, Menschen nicht …‹
    Und so wie sie würden morgen Tausende fragen, zweifeln und verzweifeln. Aber alle würden nicht so denken. Sie, die das Schreckliche schon immer gewußt hatten, die diese entsetzliche Wahrheit mit sich herumgetragen hatten, seit Anfang an und bis zum heutigen Tage, was würden sie denken? Wie war es ihnen überhaupt möglich gewesen, mit der Lüge zu leben? Mit der Lüge und mit der unfaßbaren Anmaßung, richten zu wollen, das Geschick derer lenken zu wollen, die, nichts ahnend von dem verbrecherischen Tun ihrer Vorfahren, ihnen vertraut hatten.
    Thoralf kam ihm in den Sinn. Thoralf Virtannen. Hatte auch er Mitmenschen umgebracht?
    Marc schauderte. Wer immer von denen, die das SCHIFF bemannt hatten, damals, als sie die ERDE verließen, noch lebte, trug von nun an das Mal des Verbrechers auf seiner Stirn, gleichgültig, ob er selbst den grausigen Akt des Mordens vollzogen hatte, oder ob er zu denen gehörte, die ihn geduldet hatten …
    Marc drückte eine Taste und begann zu sprechen. Rhea hörte schweigend zu. Eine halbe Stunde später war er fertig. Rhea gab ihm die Kodenummer, und der Bericht ging in die Video-Druckerei.
    Kurz darauf kam Carezzini zurück. In seiner Begleitung die Valerija und zwei Männer, die zum sogenannten »Stab« zu gehören schienen.
    »Die Weichen sind gestellt«, sagte Carezzini theatralisch. »Zwei Stunden, nachdem der Film über die Schulschirme geflimmert ist, schlagen wir los. Zu dieser Zeit wissen es alle. Die Verwirrung ist dann am größten. Wir werden sie nutzen.« Er sah die Valerija an. »Von deinen Leuten hängt es ab, ob wir auf Anhieb Erfolg haben. Sie haben nur das Lähmgas gegen uns. Wenn sie es nicht einsetzen können, sind sie wehrlos. Bist du ganz sicher, daß nur diese drei Leute das Gas auslösen können?«
    Marc sah die Valerija zum ersten Mal aus der Nähe. Etwas korpulent, die kurzen Beine unter einem langen metallisch schimmernden Rock verborgen, räkelte sie sich in ihrem Sessel. Sie schien Gemütlichkeit und Muße zu verbreiten. Doch Marc wußte, daß dieser Eindruck trog. Diese Frau, die Anatoli und seinen Sicherheitsbeamten fast noch mehr zu schaffen machte als der »Chef« selbst, war immer dort zu finden gewesen, wo es auf mehr als nur auf polemische Dispute angekommen war. Die Valerija scheute sich nicht, ihre weniger mit Logik als mit einer ungeheuren Leidenschaftlichkeit vorgetragenen Argumente »handgreiflich« zu unterstützen, wenn sie auf Widerstand stieß. Und sie hatte eine Gruppe von Männern und Frauen um sich geschart,

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