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Raumschiff der Generationen

Raumschiff der Generationen

Titel: Raumschiff der Generationen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Fischer
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Mutter; nur dieses Gesicht war in seiner Erinnerung geblieben. Der Vater? – eine konturlose Erinnerung, ein schmaler Mund, aus dem Unverständliches hervorquoll, dissonante Empfindungen, verknüpft mit einer unbestimmten Drohung, die Existenz der ganzen Familie betreffend. Und dann war da noch etwas anderes, etwas Unbegreifliches. Es lauerte irgendwo in der zwielichtigen Zone zwischen Bewußtem und Unbewußtem, ein amorphes Gebilde, bereit, auf ein Kodewort hin seine Gestalt zu enthüllen. Ein Impuls, ein »Bit«, eingegraben auf der untersten Schicht seines Gedächtnisses, wartend auf den Abruf …
    Der Impuls verschwand, mit ihm die Konturen der Eltern. Andere Gesichter und Gestalten traten an ihre Stelle, deutlicher schon, beladen mit Gedanken und Emotionen.
    Der alte Gerd zum Beispiel, der Marc in seine Wohnzelle nahm, als die Eltern starben. Marc war damals drei Jahre alt gewesen. Warum die Eltern gestorben waren, hatte er freilich erst später erfahren. An seinem fünfzehnten Geburtstag hatte Gerd es ihm gesagt.
    Später hatte sich Marc manchmal gefragt, was den alten Mann wohl bewogen haben mochte, ihm die schreckliche Wahrheit zu verraten. Vielleicht war er nicht in der Lage gewesen, abzuschätzen, welche Wirkung die Nachricht auf den Heranwachsenden haben würde, die Nachricht, daß seine Eltern bei dem Versuch, mit einem Beiboot das SCHIFF zu verlassen, ums Leben gekommen und wie sie ums Leben gekommen waren.
    Im Grunde genommen wußte niemand, was sich damals wirklich abgespielt hatte. Möglicherweise hegte Gerd Vermutungen im Hinblick auf die Gründe, die Marcs Eltern zu einem solchen Verzweiflungsschritt getrieben hatten. Wenn dem so war, behielt er diese jedoch für sich. Die kargen Informationen, die dem Alten zu entlocken gewesen waren, hatten folgendes Bild ergeben: Als sich die Eltern zusammen mit dem kleinen Marc bereits im All befunden hatten, mußte ihnen zum Bewußtsein gekommen sein, daß sie mit ihrer Nußschale allein in den erdrückenden Weiten des Weltraums verloren waren. Daraufhin hatten sie die lebenserhaltenden Systeme der Raumanzüge, die sie beim Betreten des Beiboots gefunden und sich und Marc angelegt hatten, abgeschaltet. Als das nachgesandte Rettungskommando sie erreicht hatte und in die Kabine eingedrungen war, waren die Eltern bereits tot. Auch Marc schien nicht mehr am Leben. Anders jedoch als bei den Eltern hatten die Wiederbelebungsmaßnahmen bei ihm Erfolg gehabt.
    Ob und in welchem Grade die Enthüllungen des alten Gerd einen psycho-physischen Einfluß auf den Heranwachsenden in der pubertären Phase seiner Entwicklung gehabt hatten, konnte Marc, wenn er sein bisheriges Leben überdachte, nicht entscheiden. In einer Hinsicht jedoch – und das stand für ihn außer Zweifel – hatte sich sein Leben von jenem Tage an in einem überaus bedeutsamen Maße geändert.
    Diese Veränderung wurde durch die Frage ausgelöst: Wer oder was hatte damals seine Eltern zu jenem unbegreiflichen Schritt getrieben. Wenn zwei Menschen sich dazu entschlossen, das, was ihre Welt schlechthin repräsentierte, das SCHIFF nämlich, zu verlassen, um sich dem raumlosen Nichts auszusetzen, dann mußten ungemein schwerwiegende Gründe hinter diesem Entschluß gestanden haben. Und diese Gründe – so schloß Marc – konnten nur im SCHIFF zu finden sein.
    Diese Überlegungen führten dazu, daß Marc von nun an alles, was an Bord geschah, unter einer neuen Perspektive betrachtete. Sie war gewissermaßen die Sammellinse, durch die alle Ereignisse auf die eine Frage hinprojiziert wurden: inwieweit vermochten sie zur Aufklärung der Umstände führen, die seine unglücklichen Eltern in den Tod getrieben hatten?
    Die Intensität, mit der Marc seine Analysen betrieb, ließ ihn die tieferen Zusammenhänge und Hintergründe erkennen, die sich hinter dem Leben, wie es sich an Bord abspielte, verbargen. Dies Leben, gelebt von den Zwanzigtausend in den Fabrikationsstätten, in den Freizeitzentren, auf den Straßen und in den Wohnzellen; dieses Leben, geschüttelt von Liebe und Leidenschaft, von Haß und Aggression, aber gelenkt und beherrscht von einer Handvoll Menschen, die selbst nur noch von einer Legende lebten, die sie ERDE nannten, und die damit rechnen mußten, daß das SCHIFF einst ihr Grab sein würde; dieses Leben vollzog sich in dem, was ihm Motor und Gehäuse zugleich war: im SCHIFF!
    Und in diesem Spannungsfeld zwischen »Motor« und »Gehäuse« entstand das Beziehungsgeflecht, das alle Menschen

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