Raumschiff der toten Seelen
Gesichtshöhe, und zwar in einer Reihe angebracht. Wie schon so oft versuchte Par-Ker, die Bedeutung der Zeichen zu erfassen, die unter den Skalen angebracht waren. Früher, vor dem Zwischenfall mit dem Energieschwund, war alles ganz anders gewesen. Da hatten sich in ihm die Gefühle gestritten. Auf der einen Seite überwog die Neugier und drängte ihn zu erfahren, was sich hinter dieser verschlossenen Tür befand, auf der anderen Seite jedoch stand drohend der unbekannte Wille der Weisen, der ihn immer wieder dazu zwang, ohne jeden Widerstand diesen Versuch aufzugeben.
Heute war er frei von diesem unheimlichen Zwang.
Unter der äußersten Skala links befand sich ein Zeichen, das praktisch nichts anderes darstellte als zwei zusammengeklappte Halbkugeln. Die untere war blau, dann kam ein feiner Trennstrich, darauf die rote Halbkugel. Auf der Skala selbst standen Zahlen, ebenfalls blaue und rote. Der Zeiger, ein Lichtpunkt, befand sich in dem blauen Feld und zeigte auf die Zahl 179.
Par-Ker schüttelte den Kopf und erschrak fast zu Tode, als sich hinter ihm jemand räusperte und sagte: „Neugier ist die Triebfeder allen menschlichen Fortschritts – so muß ich einmal irgendwo gelesen haben.
Aber sie kann auch seinen Tod bedeuten.“
Par-Ker schnellte herum und starrte Ra-Kles in das ernste Gesicht. Aber es war ohne jede Drohung.
„Wie kommst du hierher? Ich dachte, du schläfst …“
„Auf dem gleichen Weg wie du. Außerdem stelle ich fest, daß du nicht gerade im Schlaf wandelst.“
„Warum bist du mir gefolgt?“
„Ich sagte es ja schon: Neugierde! Sie treibt uns Menschen zu manchen Handlungen, zu guten und auch zu bösen. Nun, ich habe nichts Böses im Sinne. Aber vielleicht kann ich dir helfen, das Geheimnis der roten Tür zu lüften. Täusche ich mich, wenn ich annehme, daß du heute nicht zum ersten Mal hier stehst?“
„Du hast recht“, nickte Par-Ker kleinlaut. „Diese Tür gibt mir schon seit vielen Jahrzehnten zu denken. Sie ist anders als die anderen, die ebenfalls verschlossen blieben – bis heute. Aber diese hier öffnete sich auch heute nicht.“
„Sie birgt das Geheimnis unseres Fluges“, orakelte der Philosoph vielsagend. „Und eines Tages wird sie sich uns auftun.“
„Wer weiß, wie lange man da noch warten muß. Bisher machte mir das Warten nichts aus, aber jetzt, da wir alle Gefahren überwunden haben, haben wir ein Anrecht darauf, endlich zu wissen …“
„Was zu wissen?“
Der Erste Offizier zögerte.
„Zu wissen, was man vor uns verborgen hielt. Wir waren lächerliche Narren, zwei Jahrhunderte lang, Puppen an einem unsichtbaren Faden. Wir tanzten, wie die Weisen es wollten, jene Weisen, die schon seit mehr als hundert Jahren tot sind. Denn sie waren sterblich, das sagt die Überlieferung – so lächerlich dieser Begriff in unserer Situation auch ist. Wir, die Unsterblichen, waren die gehorsamen Diener sterblicher Menschen. Das ist es, wogegen sich mein ganzes Sein auflehnt.“
Der Philosoph zog die Tür leise hinter sich zu und betrat endgültig den Raum. Er nickte.
„Auflehnen! Das ist es, was neu für uns zu sein scheint. Wir sind in eine neue Phase unseres Lebens getreten, und ich kann nur hoffen, daß es nicht eine verderbliche Phase sein wird. Immer da, wo Traditionen gebrochen werden, geschieht etwas Entscheidendes.
Entweder bringt es den Untergang, oder aber neues Leben. In unserem Fall bin ich mir noch nicht ganz klar, welches von beiden eintreten wird. Verurteilen kann ich dich jedenfalls nicht – und ich werde kaum Har-Con davon berichten.“
Par-Ker atmete insgeheim auf. Eine schwere Last fiel von ihm ab. Zwar hätte der Kommandant ihn kaum wegen seiner Neugier bestrafen können, aber allein Unwillen wäre ihm unangenehm gewesen.
„Danke, Ra-Kles. Ich glaube, du tust es auch nur deswegen, weil du genauso neugierig bist wie ich und gern wissen möchtest, was hinter dieser Tür verborgen liegt.“
„Ich gebe es zu. Aber ich ahne, daß wir es nicht eher erfahren werden, bis die Weisen es so wollen. Es ist unmöglich, diese Tür zu erbrechen – es sei denn, mit der Gewalt der uns gegebenen Technik. Doch allein die Neugier rechtfertigt ein solches Vorgehen nicht.“
„Sieh diese Skalen“, lenkte Par-Ker von dem heikel werdenden Thema ab, und Ra-Kles folgte ihm willig.
„Kannst du ihre Bedeutung erraten?“
Der Philosoph schüttelte langsam den Kopf.
„Die Symbole sind mir unverständlich, wenigstens zum größten Teil. Aber auch bei
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