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Raumstation Erde

Raumstation Erde

Titel: Raumstation Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clifford D. Simak
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aufgebraucht hatte? Was würde geschehen, wenn kein Strom mehr durch die Leitungen floß? Wie lange könnte ein albernes symbolisches Stück Papier oder eine Münze in einer solchen Lage Wert behalten?
    Die Verteilersysteme würden zusammenbrechen, Handel und Industrie sterben, Regierung und Verwaltung ein Schattendasein führen, ohne Mittel und Verstand, funktionsfähig zu bleiben; Gesetz und Ordnung müßten zerbrechen, die Welt würde in ein neues, barbarisches Gefüge umgeordnet, um sich langsam den veränderten Verhältnissen anzupassen. Dieser Prozeß mußte Jahre in Anspruch nehmen, begleitet von Tod, Pest, unaussprechlichem Leid und Elend. Nach einer Zeit würde alles ins Geleise kommen, die Welt sich der neuen Lebensweise anpassen, aber in der Zwischenzeit würden viele sterben, und viele andere alles verlieren, was lebenswichtig für sie gewesen war.
    Wäre das - ebenso schlimm wie der Krieg?
    Viele würden an Kälte, Hunger und Krankheit sterben denn auch die Medizin würde den Weg allen Wissens gehen -, aber Millionen brauchten nicht im glutheißen Atem einer Nuklearreaktion unterzugehen. Kein giftiger Staub würde vom Himmel regnen, das Wasser bliebe rein und frisch wie je und der Boden fruchtbar. Es gäbe, nachdem die ersten Phasen überstanden wären, immer noch eine Chance, daß die Menschen weiterleben und von neuem anfangen könnten.
    Wenn man sicher sein könnte, daß es Krieg geben würde, daß er unausweichlich war, dachte Enoch, dann mochte die Wahl nicht allzuschwer sein. Aber es bestand ja immer die Möglichkeit, daß die Welt den Krieg vermeiden könnte, daß sich auf irgendeine Weise ein brüchiger, schwacher Frieden bewahren ließ, und in diesem Fall wäre das verzweifelte Heilmittel unnötig. Man müßte Sicherheit haben, aber woher sie nehmen? Das Diagramm in der Schublade verhieß Krieg, viele Diplomaten und Beobachter sahen in der kommenden Friedenskonferenz nichts als einen Zünder für den Krieg. Aber Sicherheit gab es nicht.
    Und wenn es sie gäbe, fragte sich Enoch, wie dürfte ein Mann - einer allein - es auf sich nehmen, für die ganze Menschheit den lieben Gott zu spielen? Mit welchem Recht fällte ein Mann die Entscheidungen, die alle übrigen, all die Millionen anderer Menschen, betraf? Konnte er in den Jahren danach jemals seine Wahl rechtfertigen?
    Wie sollte ein Mensch entscheiden, wie schlimm der Krieg, und wie schlimm im Vergleich dazu die radikale Verdummung war? Er konnte es nicht, das schien die einzige Antwort zu sein.
    Enoch stand auf und ging zum Fenster. Seine Schritte hallten. Er sah auf die Uhr; es war nach Mitternacht.
    Es gibt Wesen in der Milchstraße, dachte er, die jede Frage schnell und richtig zu entscheiden vermögen, von logischen Regeln geleitet, die dem Menschen unverständlich sind.
    Er stand am Fenster und starrte auf die mondbeschienenen Felder hinaus. Die Wolken waren verschwunden, und die Nacht war friedlich. Dieser Fleck Erde hier wird immer friedlich sein, dachte er; denn er liegt weitab vom Wege, weit von jedem möglichen Ziel in einem Atomkrieg. Trotzdem vermochte auch er nicht dem Schicksal vergifteten Bodens und Wassers zu entrinnen, wenn die Welt in einer schicksalhaften Stunde der Wut Atomwaffen auf die Reise schickte. Der Himmel würde sich mit Atomasche füllen, und dann war es unwichtig, wo man sich befand.
    Er ging zum Schreibtisch und sammelte die Zeitungen auf, die mit der Morgenpost gekommen waren. Dabei fiel ihm auf, daß Ulysses seinen Zeitungsstapel vergessen hatte.
    Hundertzehn Jahre lang war alles gut gegangen, dachte er. Es hatte die guten Stunden gegeben und die schlechten, aber im großen und ganzen war sein Leben ruhig und ohne aufregende Ereignisse verlaufen. Dann dieser Tag, und all die friedlichen Jahre waren zunichte gemacht.
    Er hatte einmal hoffen dürfen, die Erde als Mitglied der Galaktischen Familie anerkannt zu sehen, als Beauftragter diese Anerkennung zu erbitten. Aber diese Hoffnung war zerstört, nicht nur durch die Tatsache, daß diese Station geschlossen werden sollte, sondern daß ihre Schließung durch die Barbarei der Menschheit bedingt war. Man benützte die Erde in der Galaktischen Politik natürlich auch als Prügelknaben, aber dieses Kainszeichen würde sich so bald nicht wegwischen lassen.
    Es gab immer noch einen Weg, Geringere zu retten, dachte er. Er konnte Erdenbewohner bleiben und der Menschheit alles übergeben, was er im Laufe der Jahre erfahren hatte, niedergeschrieben in allen Einzelheiten,

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