Raus aus dem Har(t)z IV!
Position im Geschäft ein, die Gutachten zu erstellen oder die Auktionen zu besuchen, auf die mein Chef teilweise seine kostbarsten Stücke zum Verkauf entsandte, aber auch im Kunden - Auftrag besondere Stücke ersteigerte. Doch das zählte jetzt nicht mehr. Ich war die Verkäuferin, mehr nicht. Warum sollte ich dann auch den Streit - Hänseln noch gesondert sagen, dass eines der verschleuderten Teile, ein Schreibtisch aus Holz, in Wirklichkeit aus der napoleonischen Zeit kam und mehrere Hinweise darauf enthielt, dass dies der Original Schreibtisch war, an dem Napoleon höchst selbst saß. Im Wert allein vermutlich also deutlich höher lag, als der Betrag, den der Holländer für das komplette Inventar in bar auf den Tisch legte. Von der alten Bibel aus dem 16. Jahrhundert ganz zu schweigen. Aber man wollte ja nicht auf eine ‚einfache Verkäuferin‘ hören. Ich wurde abserviert und nach Hause geschickt. Ein bisheriges Arbeitsleben, in dem ich nie etwas anderes kannte als dieses Geschäft, ging zu Ende.
Jetzt war es wenige Wochen vor Weihnachten und ich war inzwischen über dieses Ereignis hinweg, wenn auch noch nicht über die Folgen. Die Weihnachtsstimmung machte mich aggressiv und ich schwor mir selbst, den Nächsten, den ich auf der Straße „ Last Christmas “ pfeifen höre, der hat es erlebt und der bekommt die Prügel seines Lebens. Leider traf ich aber an diesem Tag Niemanden, um mich abzureagieren. Schade, ich hätte es mir so gewünscht. Denn zu allem Unglück habe ich vor wenigen Minuten dazu hinreißen lassen, ein Weihnachtsessen zu geben. Ich stand an der Kasse im Supermarkt, da ist es geschehen. Allerdings machte mich dabei der Supermarkt nicht aggressiv auf Weihnachten, denn wenigstens sind die Supermärkte so mitfühlend und sensibel, dass sie einen schon im Spätsommer durch das Anbieten von Schokoweihnachtsmännern und Lebkuchen auf dieses Fest vorbereiten. Nein, es waren die drei Kerle, die ich bei meinen ersten Termin in der Arbeitsagentur im Wartezimmer getroffen habe. Stefan, Tobias und Michael, die jetzt an der Kasse hinter mir auftauchten wie die Heiligen Drei Könige beim Jesus Kind. Genauso überraschend und exotisch duftend. Allerdings war dies nicht den Gewürzen geschuldet, sondern lag vermutlich daran, dass die Dusche in deren Wohngemeinschaft kaputt war. Aber das machte Michael wiederum etwas dunkler und so konnte er getrost als der schwarze der Heiligen Drei Könige durchgehen. Oder kam es mir so vor, weil er mit Make- Up experimentierte? Ich war mir nicht mehr sicher. Aber über eines war ich mir sicher: Ich fühlte mich bei diesem Aufeinandertreffen nicht wie das Christkind. Eher wie das Schaf in der Krippe, so belämmert musste ich in diesem Moment ausgesehen haben. Die Drei fehlten mir ja noch.
Kennen gelernt habe ich sie, als ich vor ein paar Wochen bei der Arbeitsagentur darauf wartete, dass mich Frau Schimmelpfennig, jene Wuchtbrumme, die bei mir später die wildesten Phantasien wecken sollte, empfangen würde. Alle drei saßen sie damals neben mir oder besser gesagt, ich zwischen ihnen. Denn der Träumer Stefan kam etwas später mit einem Pappbecher voller Instantkaffee und setzte sich dann links neben mich, wobei die anderen Beiden rechts von mir saßen. Als ich damals festgestellt habe, dass sie zusammengehören bot ich an, den Platz zu tauschen, dass sie nebeneinander sitzen könnten und mir nicht immer einer von den Drei ins Dekolleté sabbern musste, wenn er seinen Freunden etwas sagen wollte. Aber das lehnten sie ab und stellten sich stattdessen vor. Die Drei schienen dieses Wartezimmer in der Arbeitsagentur als Kneipenersatz anzusehen, in dem sie neue Freundschaften schließen konnten. Das fehlte mir ja noch. Aber ich spielte mit, als von rechts eine Stimme in mein Ohr ertönte: „ Tachchen, ich bin der Tobi, wa. Un wer bist du denne? “ – „Guten Morgen, ich bin die Diana, sehr erfreut.“ Wobei ich darauf bedacht war, sofort nach diesem Anflug einer drohenden Konversation hektisch in meiner Handtasche zu wühlen, um Geschäftigkeit vorzutäuschen. Aber es half nicht. Diese eine Antwort schien die Schleusentore für weitere Redeströmungen (oder besser Ergüsse?) sperrangelweit zu öffnen. Denn jetzt kam es von links: „ Supi, Diana, ick bin der Stefan. Un was machste hier so? “. Konnten die drei nicht weiter über Fußball oder sonst was reden, musste es mich erwischen? „Ich warte hier auf den Bus. Was denkst Du denn.“ Giftete ich zurück,
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