Raus aus dem Schneckenhaus
ständige Sicherheitsstrategien. Unter Sicherheitsverhalten versteht man alle Strategien im Denken und Verhalten, die dazu dienen, eine befürchtete Peinlichkeit oder vermeintliche Katastrophe in der sozialen Begegnung zu vermeiden. Solche Angstvermeidungsreaktionen führen dazu, dass die Betroffenen letztlich keine positiven Erfahrungen im Kontakt mit anderen Menschen machen können. Neben vielen bewusst eingesetzten Methoden sind manche Strategien so subtil, dass sie von den Betroffenen gar nicht als solche wahrgenommen werden, weil sie gleichsam automatisch und unbewusst eingesetzt werden.
Neben der bereits beschriebenen ständigen Selbstbeobachtung zur Vorbeugung eines schlechten Eindrucks gibt es fünf Arten von Sicherheitsverhaltensweisen. Während es bei der ersten Variante um Maßnahmen vor der Konfrontation mit sozialen Situationen geht, umfassen die vier anderen Verhaltensweisen Strategien in der Situation:
Vorbeugung: Maßnahmen zur besseren oder gar perfekten Vorbereitung auf soziale Situationen.
Vermeidung: Bestimmte soziale Situationen werden wenn möglich vermieden.
Unterdrückung: Verbergen von möglicherweise oder tatsächlich auftretenden Angstzeichen.
Überspielung: Strategien, Angst in sozialen Situationen zu überkompensieren.
Erklärung: Entschuldigungsstrategien (»Ausreden«) für sichtbar gewordene Symptome.
V orbeugungsmaßnahmen umfassen alle übertriebenen Versuche, unbedingt einen guten Eindruck bei anderen zu hinterlassen, sowie alle exzessiven Bemühungen, optimale Leistungen zu erzielen. Es handelt sich um Perfektionsstrategien, die das Gelingen sozialer Interaktionen herbeiführen sollen, und mit deren Hilfe befürchtete Fehler und persönliche Schwächen kompensiert werden:
übermäßige, bis ins kleinste Detail gehende Vorbereitungen auf Vorträge oder Präsentationen sollen den Erfolg garantieren,
Ablesen oder Auswendiglernen eines Manuskripts dient dazu, Unsicherheit oder Unkonzentriertheit zu vermeiden,
überpünktliches Erscheinen bei einem vereinbarten Treffen soll verhindern, dass man im Falle einer Verspätung unangenehm im Mittelpunkt steht,
die Mitnahme einer vertrauten Person soll den Kontakt mit unbekannten Menschen erleichtern,
mithilfe von Medikamenten (Beruhigungsmitteln oder Betablockern) und Alkohol wird die Aufnahme von sozialen Kontakten erleichtert und eine künstliche Entspanntheit und Spontaneität hergestellt.
Vermeidungsversuche dienen dazu, jede Auffälligkeit in sozialen Situationen zu verhindern. Typische Verhaltensweisen sind:
sich ablenken und an etwas anderes denken,
Blickkontakt vermeiden und auf den Boden schauen,
den Kontakt mit bestimmten Personen vermeiden,
eine dunkle Sonnenbrille tragen, um Augenkontakt zu verhindern,
nichts öffentlich sagen, um nicht im Mittelpunkt zu stehen,
aus Angst vor Kritik nicht sprechen, seine Gefühle und seine Meinungen für sich behalten,
leise sprechen, um nicht aufzufallen,
zu einer Veranstaltung zu spät kommen oder vor dem Ende gehen, um Smalltalk zu vermeiden,
öffentliches Sprechen unterlassen aus Angst, rot zu werden oder zu schwitzen,
grelles Licht vermeiden aus Angst vor sichtbarem Erröten oder Schwitzen,
öffentliche Mahlzeiten vermeiden aus Angst vor Übelkeit, Erbrechen oder Händezittern,
heiße Getränke, warme Kleidung und überhitzte Räume vermeiden aus Angst, übermäßig zu schwitzen,
in einem Lokal wenig trinken aus Angst, auf der öffentlichen Toilette nicht urinieren zu können,
das Glas oder die Tasse nur halb füllen und keine Suppe löffeln, um eventuelles Verschütten der Flüssigkeit zu vermeiden,
Entschuldigungen erfinden, um soziales Vermeidungsverhalten zu kaschieren.
Unterdrückungsmaßnahmen dienen dazu, bereits aufgetretene Symptome vermeintlich besser zu kontrollieren bzw. sie vor allem zu verbergen.
Bei Angst vor Erröten werden gewöhnlich einige der folgenden Tricks eingesetzt: das Gesicht übermäßig stark schminken (dickes Make-up tragen), eine Feuchtigkeitscreme verwenden, eine große Sonnenbrille aufsetzen, langes Haar ins Gesicht fallen lassen, einen Vollbart tragen, die Hände über das Gesicht halten, mit der Kleidung – etwa einem Rollkragenpullover – den geröteten Hals und den Oberkörper verbergen, sich im Halbdunklen aufhalten, zur Kühlung das Fenster öffnen oder die Klimaanlage einschalten, das Gesicht kalt abwaschen.
Bei Angst vor sichtbarem Schwitzen sind folgende Strategien beliebt: ein Unterhemd mit hoher Saugkraft oder dicke, dunkle Jacken zur Tarnung
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