Rausch der Unterwerfung
überhaupt wollte.
Als schon erste Anzeichen von Frustration in ihr aufstiegen, traf sie in einem Chatroom auf Miguel.
„Eine SM-Jungfrau, die Erfahrungen machen möchte, sich aber nicht wirklich traut“, sprach er sie an.
„Ich traue mich durchaus, sonst wäre ich nicht hier. Ich bin nur vorsichtig.“
„Das solltest du auch sein. Aber was soll der Unsinn mit der Online-Erziehung?“
„Ich dachte, es wäre ein guter Einstieg, weil ich vor vielem noch Angst habe. Dazu stehe ich.“
„Aber die Angst erregt dich auch.“
„Ja“, gab sie nach kurzer Überlegung zu.
„Du möchtest dich wehrlos fühlen, Schmerz spüren und Erniedrigung ertragen. Warum?“
Sie überlegte erneut. Miguel war ihr erster Chatpartner, der ihr komplizierte Fragen stellte.
„Ich weiß es nicht“, tippte sie schließlich in die Tastatur. „Ich begreife nicht einmal selbst, warum ich das will. Vielleicht will ich es auch gar nicht, vielleicht finde ich bald heraus, dass das alles nur Fantasien sind.“
„Dann erzähl mir von deinen Fantasien.“
Sie tat es. Auf freundliche, aber bestimmte Art brachte er sie dazu, ihm alles zu erzählen, angefangen bei der Heldin in ihrem Buch bis hin zu ihren heimlichen Sehnsüchten. Später stellte er ihr unzählige, oft sehr persönliche Fragen, die sie beantwortete, während ihre Hände auf der Tastatur zitterten. Das Gespräch endete tief in der Nacht und hinterließ ein spannungsvolles Prickeln in ihrem Bauch, das sie bis in ihre Träume verfolgte.
Von da an trafen sie sich regelmäßig im Chat oder schickten sich E-Mails. Miguel gebot ihr, ihn mit „Herr“ anzureden und keine Fragen zu stellen, wenn er es nicht erlaubte. Mit jedem Tag, der verstrich, drang er ein Stück tiefer in ihr Leben ein, und sie fühlte sich immer weniger imstande, sich dem Reiz seiner zunehmenden Kontrolle zu entziehen.
Schon in der ersten Woche begann er, ihren Tagesrhythmus zu beeinflussen.
„Morgen stehst du um fünf Uhr auf, isst einen Toast mit Butter, kein Belag, dann schreibst du mir um fünf Uhr dreißig eine E-Mail. Ich will wissen, wie du die Nacht geschlafen hast, was vor dem Einschlafen deine letzten Gedanken waren und wie du dich fühlst.“
Jeden Abend verfasste sie eine Art Protokoll über den hinter ihr liegenden Tag und erhielt von Miguel Anweisungen für den nächsten. Er begann zu bestimmen, was sie aß, wie sie sich kleidete und sogar, wann sie sich befriedigen durfte und wann nicht. Anfangs hielt sie sich nur bedingt an seine Vorgaben, wie wollte er das auch kontrollieren? Doch je mehr Zeit verstrich, desto mehr spürte sie, dass es sie erregte, wenn sie tat, was er wollte, selbst oder gerade dann, wenn es unangenehm war. Sie tat es, weil er es verlangte. Sie tat es, weil er ihr Herr war und sie Sklavin nannte, und schon der Klang dieses Wortes, Sklavin, ließ sie schneller atmen.
„Nein, danke, ich möchte nichts essen“, wies Anne das Tablett mit den kleinen Schälchen und Schächtelchen zurück, das die Stewardess ihr reichte. „Aber ich hätte gern einen Kaffee.“
Erschrocken fragte sie sich im selben Moment, ob Kaffee überhaupt erlaubt war. Landläufig galt dieses Getränk als Genussmittel, aber explizit verboten hatte er es ihr nicht, deshalb nippte sie wenig später genüsslich daran und lehnte sich entspannt zurück.
Der virtuelle Kontakt mit Miguel intensivierte sich mehr und mehr. Doch obwohl sie Stunden mit ihm im Chatroom zubrachte und seitenlange E-Mails verfasste, erfuhr sie kaum etwas über ihn, nur dass er mit Kunst zu tun hatte und dass Miguel sein Künstlername war, unter dem er arbeitete. Wie er wirklich hieß und worin genau seine Kunst bestand, darüber schwieg er sich aus.
Sie selbst fühlte sich ihm gegenüber nach drei Wochen vollkommen entblößt. Er wusste nahezu alles über sie, hatte es ihr mit sanften oder strengen Worten nach und nach entlockt, und sie war immer weniger imstande, ihm auszuweichen oder gar ihn anzuflunkern.
Als nächstes verlangte er Fotos von allen möglichen Dingen, von ihrem Bett, ihren Schuhen, ihrer Unterwäsche und auch von ihr selbst, Detailaufnahmen von ihren Brüsten, ihrem Hintern, ihrem Geschlecht, doch niemals von ihrem Gesicht. Er verbot ihr regelrecht, es ihm zu zeigen.
„So etwas Abartiges habe ich lange nicht gesehen …“, war seine Antwort auf das erste intime Foto gewesen, das sie ihm schickte. Schockiert und ungläubig hatte sie auf diese E-Mail gestarrt. Was hatte sie falsch gemacht? Sie hatte sich extra
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