Rausfliegen mit Erfolg
Schulungsunterlagen aufnehmen.
Zweitens hält keine Interessensvertretung schützend die Hand über Sie.
Die Kammer drückt Ihnen ihr Beileid aus, der zuständige Beamte beneidet Sie offen um die bevorstehenden freien Tage: âMann, drei Monate Kohle und sich im Park die Sonne auf den Bauch scheinen lassen.â Weiter weist er Sie dezent darauf hin, dass Sie als leitender Angestellter gar keine Kammerumlage zahlen. Sollte es also zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen, müsse man leider im Hintergrund bleiben und sich die Sache interessiert, jedoch mit der nötigen Distanz ansehen.
Der Betriebsrat teilt Ihnen mit besorgter Miene mit, dass Ihre Kündigung noch das kleinere Ãbel ist, im Vergleich zu anderen düsteren Bildern, die Sie selbst ihm ja immer beschrieben haben.
Die Gewerkschaft lacht sich ins Fäustchen, dass es jetzt endlich den Richtigen trifft und schickt Ihrem Chef ein Gratulationsschreiben zur umsichtigen Personalpolitik.
Ihr geliebter Manager-Club lässt Sie fallen, wie ein abgelaufenes Päckchen Milch. SchlieÃlich ist er eine Vereinigung prominenter Winner, keine Therapiegruppe für anonyme Loser. Aber Sie bleiben dem Club noch einige Zeit erhalten, als Gesprächsthema bei den elitären Cocktail-Partys.
Das mühsam geflochtene Netzwerk verflüchtigt sich wie die Fäden eines Spinnennetzes in einem heftigen Gewittersturm. Die Anzahl der Freunde bei LinkedIn und ähnlichen virtuellen Foren rasselt runter wie der Aktienkurs einer Hightech-Blase.
Ãbrigens, neue Freunde gewinnen Sie erst danach. Am Arbeitsamt zum Beispiel begrüÃt man Sie wie einen alten Bekannten. Man freut sich, Sie endlich persönlich kennen zu lernen. SchlieÃlich hat man schon viel über Sie gehört. Von ehemaligen Mitarbeitern, die Sie freigesetzt haben.
6 http://www.uni-frankfurt.de/fb/fb10/IDLD/ehemalige_histSprw/Schlosser/unwortdesjahres/unwoerter/index.html , 10.12.2010
h ttp://www.gfds.de/aktionen/wort-des-jahres/unwoerter-des-jahres/, 10.12.2010
Kapitel 3
Zum Ritual des Rauswurfs
Unglaubliche Geschichten über
wahre Begebenheiten
Kommunikation ist geprägt von Ritualen.
Wahrscheinlich denken Sie eher an Familientradition, religiöse Zeremonien oder Politik, wenn Sie diesen Satz auf sich wirken lassen. Ãberlegen Sie doch mal, ob Ihnen nicht auch ein Fall aus Ihrem beruflichen Umfeld dazu einfällt. Warum gibt es eigentlich ganztägige Seminare, die eifrigen Managern beibringen, sich nicht schon beim Austausch der Visitenkarten durch eine unüberlegte Geste das ganze Geschäft zu verderben? Offensichtlich geben vertraute Abläufe etwas Sicherheit und Orientierung, wenn wir uns einer unbekannten Situation oder Person nähern. Daher werden derart nützliche Verhaltensweisen Generation für Generation einstudiert, akribisch an die einzuschulenden Neulinge weitergegeben und mangels besserer Ideen von diesen ungefragt übernommen. Echte Rituale verlieren so nie an Aktualität, auch wenn sie sich längst von der Gegenwart entfernt haben. Eines dieser Phänomene scheint das Verhalten von Unternehmen bei Freisetzungen von Mitarbeitern zu sein. Nur so lässt es sich erklären, dass Dienstgeberkündigungen unabhängig von Branche, BetriebsgröÃe und Mitarbeiterzahl frappante Ãhnlichkeiten aufweisen, was die Exekution durch Unternehmensvertreter betrifft.
Das Ritual des Rauswurfs ist geprägt von fragwürdigen Kommunikations- und Verhaltensmustern auf Arbeitgeberseite, die so ähnlich wie unglaublich sind. Generationen von Führungskräften und Personalverantwortlichen hauen gerade im sensiblen Fall eines Trennungsprozesses ordentlich daneben. Sie kompensieren fehlende Vorbereitung mit unpassenden Floskeln und mangelndes Einfühlungsvermögen mit rüder Oberflächlichkeit. Oder noch schlimmer: Sie sind emotional mit der Aufgabe hoffnungslos überfordert und stürzen sich selbst in eine Sinnkrise, aus der sie kaum wieder herausfinden. Egal, ob Sie zu den verdrängenden, konfrontierenden oder konsenssuchenden Führungskräften gehören, ohne wirkliches Hintergrundverständnis und gewissenhaftes Einstudieren mit Profis werden Sie bei einer Kündigung als Vorgesetzter versagen.
âDas klingt etwas übertreibenâ, werden Sie denken. âWie kann man die Umsetzung einer simplen Personalentscheidung so dramatisieren?â Ich verstehe Ihre Skepsis. Als junge
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