Rausfliegen mit Erfolg
Führungskraft ohne einschlägige Kündigungserfahrung hätte ich diese Aussage auch stark angezweifelt, die Warnung als überflüssig abgetan. Ich wäre zuversichtlich an die Sache herangegangen, wie an jede andere Herausforderung im Geschäft. Auch als möglicherweise Betroffener hätte ich den von mir stets geschätzten Arbeitgebern nicht die Professionalität abgesprochen, fair und umsichtig an das Thema Kündigung heranzugehen. Manches muss man eben selbst erleben, um es zu verstehen. Mittendrin sieht man eine Sache ganz anders als von den Zuschauerrängen aus.
Der eigene Rauswurf macht nachdenklich.
Es gilt, das Erlebte gründlich zu verarbeiten, um die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Nach einiger Zeit der inneren Reflexion allerdings kommt der Punkt, an dem man mit seinem Latein ziemlich am Ende ist. Man holt sich Rat, und den am besten bei Gleichgesinnten. Wie alle, die sich um die Aufarbeitung eines besonders eindrücklichen Erlebnisses bemühen, habe ich mir die Frage gestellt: âWie haben andere ihren eigenen Rauswurf erlebt?â Und so habe ich mich auf die Suche begeben. Zuerst in meinem Netzwerk, oder dem was nach meinem Rauswurf noch davon übrig war. Ich telefonierte meine gesamte Visitenkartensammlung durch, alle meine Outlook-Kontakte. Gezählte 78 Telefonstunden später hatte ich die für mich überraschende Erkenntnis gewonnen, dass ich als Rausflieger einer Gruppe angehörte, deren GröÃe ich ziemlich unterschätzt hatte. Gesprächspartner aus verschiedensten Branchen, Leute, die mich während meiner zwanzigjährigen Karriere ein langes Stück des Weges begleitet hatten, Menschen, deren Lebenslauf ich gut zu kennen glaubte, outeten sich als Rausflieger. Es war erstaunlich für mich, wie vielen Managern ihre Laufbahn einen Crash beschert hat. Ein beruflicher Kapitalsturz gehört zu einer bemerkenswerten Karriere offenbar genauso dazu wie die klassische Unfallnarbe zu einer ungestümen Kindheit. Als ich mir die vielen Geschichten anhörte, wurde mir bewusst, wie oft ich mich, geleitet von offiziellen Medienberichten und anschlieÃendem Branchentratsch, weit entfernt von der Wahrheit aufhielt. Und ich entdeckte eine frappierende Ãhnlichkeit zwischen den dargebotenen Erlebnisberichten. Je mehr Gespräche ich führte, desto klarer bot sich mir das Bild eines nahezu deckungsgleichen Vorgehens in einer standardisierten Geschäftswelt. Allerdings zählten diese Standards aus der Sicht der Betroffenen nicht immer zur âBest Practiceâ aus dem Bereich Human Resources Management.
Die meisten meiner Gesprächspartner verloren wenige Worte über die Gründe ihrer Freisetzung. Diese lagen auf der Hand oder in einer Geheimhaltungsklausel verpackt.
Die meisten meiner Gesprächspartner fühlten sich auch durchaus fair behandelt, was die finanzielle Komponente der letzten Vereinbarung mit ihrem Dienstgeber betraf.
Was die meisten meiner Gesprächspartner störte und teilweise verstörte, waren Umgangston und Umgangsformen in der Trennungsphase. Ihre Erzählungen waren gespickt mit Beispielen, welche die Unbeholfenheit der Unternehmensvertreter, mit Kündigungen umzugehen dokumentierte. Man war befremdet vom peinlichen Geplänkel, peinlich berührt von der Fiesheit des Vorgehens, fühlte sich gedemütigt, für dumm verkauft, in Anwesenheit von Kollegen unnötig degradiert, doppelt rausgeschmissen, einmal formell und einmal mit der Behandlung beim Abschied (alles Zitate von Betroffenen).
Gegenstand der persönlichen Entrüstung bildeten
der gewählte Zeitpunkt für die Kündigung,
die Art wie die Kündigung ausgesprochen und begründet wurde,
die Behandlung des Arbeitnehmers von der Information über die Freisetzung bis zum finalen Verlassen des Arbeitsplatzes,
die Kommunikation der Freisetzung im Unternehmen.
Ist das Ritual des Rauswurfs also wirklich eine hinterhältige Aktion und schlechte Zeremonie zur bewussten Demontage eines plötzlich in Ungnade gefallenen Arbeitnehmers, von welcher die AuÃenwelt nur mittels nichtssagender Standardphrasen informiert wird?
Nach der ersten Gesprächsrunde wollte ich mehr darüber erfahren. Und mein Wissensdurst wurde dank eines perfekten Kooperationspartners sehr bald gestillt. Das Wiener Büro des weltweit agierenden Outplacement-Spezialisten DBM erklärte sich bereit, einen speziell entwickelten
Weitere Kostenlose Bücher