Raven - Schattenreiter (6 Romane)
auf Ihre Seite schlage, Card?«, fragte der Dämon. »Der Assassine wird mit Raven einen Diener haben, der schrecklicher und gefährlicher ist, als es die dreizehn Schattenreiter jemals waren. Ihre Macht addiert sich nicht - sie multipliziert sich. Mit Raven an seiner Seite wird der Assassine unbesiegbar. Und wir werden überflüssig.«
Card überlegte endlose Sekunden lang. »Wenn das, was Sie erzählen, stimmt ...«
»Sie trauen mir nicht. Ich verstehe das«, sagte der Dämon. »Ich an Ihrer Stelle würde genauso reagieren. Aber ich bin bereit, Ihnen ein Pfand in die Hand zu geben. Ich nenne Ihnen meinen Namen. Wer den wirklichen Namen eines Dämons kennt, beherrscht ihn damit. Sie sehen, ich liefere Ihnen einen Vertrauensbeweis. So nennt ihr es doch, oder?«
Card nickte stumm.
»Und was verlangen Sie als Gegenleistung?«, fragte Kemmler in die entstehende Stille hinein.
»Meine Freiheit«, entgegnete der Dämon. »Ich helfe Ihnen, die beiden anderen zu stellen. Und ich helfe Ihnen auch, den Assassinen unschädlich zu machen - das liegt in meinem eigenen Interesse. Der alte Mann kann sehr rachsüchtig sein. Ich weiß nicht, ob es uns gelingt. Wenn nicht, brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen. Wenn ja, gehen wir beide unserer Wege. Ich verspreche Ihnen, dass Sie mich nicht wiedersehen werden.«
Card überlegte lange. Schließlich senkte er seine Waffe und nickte wortlos.
Aber er kam sich dabei vor, als hätte er soeben einen Pakt mit dem Teufel persönlich geschlossen.
Raven hörte das Geräusch im letzten Moment. Er fuhr herum, bemerkte eine schattenhafte Bewegung hinter sich und riss in einem blitzschnellen Reflex den Schild hoch.
Der Pfeil hämmerte mit ungeheurer Gewalt in das Holz. Der Schlag ließ Raven zurücktaumeln. Er prallte gegen die Wand, kämpfte einen Augenblick lang um sein Gleichgewicht und kam schwer atmend wieder auf die Füße.
Das Geschoss hatte den fünf Zentimeter starken Schild durchbohrt. Die rasiermesserscharfe Pfeilspitze ragte eine gute Handbreit aus der Rückseite des Schildes. Hätte der Pfeil Raven getroffen, wäre das ungleiche Duell zu Ende gewesen, bevor es richtig begonnen hatte.
Raven fluchte leise. Er brach den Pfeil mit einem wütenden Ruck ab, nahm den Schild wieder hoch und sah sich misstrauisch um. Sein Blick bohrte sich in den Stollen, aus dem das heimtückische Geschoss gekommen war.
»Komm raus«, knurrte er wütend. »Oder hast du Angst vor mir?«
Ein leises, kehliges Lachen antwortete ihm. In dem wogenden Schwarz des Tunnels erschien eine gigantische dunkle Gestalt.
»Gut reagiert«, lobte der Schattenreiter. »Es wäre nicht vielen gelungen, dem Pfeil auszuweichen.«
Er griff in den Köcher auf seinem Rücken, nahm einen neuen Pfeil heraus und legte ihn auf die Sehne des mannshohen Langbogens.
»Du hättest die Frist ausnutzen und fliehen sollen«, sagte er im Plauderton, während er prüfend den Bogen spannte. Die schwarze Metallspitze des Pfeiles zielte genau auf Ravens Herz. »Das hätte dem Kampf ein wenig mehr Reiz gegeben. Jetzt ist er zu schnell vorbei. Eigentlich schade.«
Raven hob seinen Schild in Augenhöhe und fixierte seinen Gegner aufmerksam.
Der Schattenreiter grinste. »Das wird dir nicht viel nutzen. Aus dieser Entfernung schlägt ein Pfeil glatt hindurch. Wollen wir wetten?«
Seine Finger ließen ohne Vorwarnung die Sehne los.
Der Pfeil verwandelte sich in einen huschenden Schemen, zu schnell, als dass ein menschliches Auge der Bewegung hätte folgen können.
Aber noch etwas anderes geschah ...
Raven spürte, wie eine andere, stärkere Willenskraft als seine eigene von seinem Körper Besitz ergriff. Ein kurzer, flüchtiger Schmerz zuckte hinter seiner Stirn auf. Der Gang verschwamm vor seinen Augen. Und irgendetwas geschah mit der Zeit ...
Die Bewegungen des Schattenreiters erlahmten. Die riesige Gestalt erstarrte vor Ravens Augen zu einer leblosen Skulptur. Einen halben Meter vor ihm materialisierte ein schwarzer, meterlanger Pfeil in der Luft. Sein rasender Flug war zu einem quälend langsamen Dahinkriechen geworden.
Ravens Körper bewegte sich ohne sein Zutun. Er steppte zur Seite, riss den Arm hoch und hieb mit dem Schwert kraftvoll auf den Pfeil. Das Geschoss zersplitterte.
Im selben Augenblick erwachte der Schattenreiter wieder aus seiner Erstarrung. Die Zeit lief wieder normal.
Auf dem Gesicht des Schattenreiters erschien ein Ausdruck ungläubigen Staunens.
Aber die unheimliche Macht griff schon wieder nach
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