Raven - Schattenreiter (6 Romane)
hören.
Der Uniformierte fluchte, hantierte an seiner Waffe und feuerte noch einmal. Diesmal explodierten die Geschosse im Heck des Fischkutters. Eine grelle Serie weißer, aufzuckender Funken, die sich auf die Wasseroberfläche hinuntersenkten und dann verschwanden.
Einen Moment lang geschah gar nichts. Dann ging ein spürbarer Ruck durch den Kutter. Das Heck schwankte, hob sich und krachte mit Wucht auf die Wässeroberfläche zurück.
Card starrte sekundenlang mit angehaltenem Atem zu dem anderen Schiff hinüber. Dessen Geschwindigkeit verringerte sich sichtlich.
»Getroffen!«, jubelte Card. »Voll erwischt, Junge!« Er schlug dem knienden Uniformierten wuchtig auf die Schulter, riss seine Pistole hervor und trat ungeduldig an die Reling.
Das Fischerboot verlor mehr und mehr an Geschwindigkeit und kam schließlich ganz zur Ruhe. Das Polizeiboot holte schnell auf. Trotzdem kam es Card so vor, als vergingen Stunden, bis der verkrustete Rumpf des Kutters schließlich längsseits lag.
Er griff ungeduldig nach der höher liegenden Reling des anderen Bootes, federte in den Knien ein und zog sich mit einer schwungvollen Bewegung auf den Kutter hinauf. Die Waffe lag entsichert und schussbereit in seiner Hand.
Das Deck des Fischkutters war leer. Card richtete sich vorsichtig auf, warf einen misstrauischen Blick nach beiden Seiten und huschte dann geduckt auf das Steuerhaus zu.
Das Boot bäumte sich auf, als es von einem weiteren Brecher getroffen wurde. Card verlor das Gleichgewicht, fiel auf Hände und Knie und kam fluchend wieder auf die Beine. Vorsichtiger geworden, ging er weiter. Die Planken waren nass und schlüpfrig, als wären sie mit Schmierseife eingerieben worden. Hinter ihm kletterte eine Anzahl weiterer Gestalten auf das Deck.
Er erreichte das Steuerhaus, blieb einen Herzschlag lang reglos stehen und riss die Tür dann mit einem Ruck auf.
Die winzige Kabine war leer. Das Steuerruder war mit einem Tau festgezurrt worden, und jemand hatte den Fahrthebel auf volle Kraft geschaltet und verkeilt.
Card schluckte einen Fluch hinunter und trat wütend auf das Deck zurück. Sein Blick irrte über das Boot und blieb an einer Reihe flacher, wulstiger Aufbauten hängen.
Unter einer dieser Klappen musste eine Treppe tiefer in den Rumpf des Bootes hinabführen. Er hatte kein sehr gutes Gefühl dabei, als er über das schwankende Deck ging und schließlich vor einer der Klappen anhielt. Er rüttelte prüfend am Verschluss und griff schließlich mit beiden Händen zu.
Die Klappe schwang quietschend nach oben. Muffige, nach Fisch und Verwesung riechende Luft schlug ihm entgegen. Card japste, verzog angeekelt das Gesicht und stemmte die Luke mit größter Kraftanstrengung vollends auf.
Darunter lag ein großer, dunkler Raum. Card beugte sich über den Rand und blinzelte neugierig in die Dunkelheit hinunter.
»Warten Sie, Inspektor«, sagte eine Stimme neben ihm.
Card richtete sich auf und machte Platz, damit Kemmler mit seiner Lampe in die Tiefe leuchten konnte. Der weiße, flackernde Strahl zeigte ihnen einen halbrunden, tiefen Raum mit rostzerfressenen Wänden, an denen sich Algen und Schimmelpilze abgelagert hatten. Einen Lagerraum, vermutlich einen der Bunker, in denen die Fischer ihre Fänge aufbewahrten, bis sie wieder in den Heimathafen einliefen. Im Augenblick allerdings enthielt er eine andere Beute.
Auf dem Grund des Lagertanks lag die verkrümmte Gestalt eines Schattenreiters!
Kemmler ächzte.
»Sieht so aus, als hätte es einen Kampf gegeben«, murmelte Card. Seine Hände verkrampften sich um den Rand der Luke.
»Ich frage mich, wo die anderen sind«, sagte Kemmler. Er schaltete die Lampe aus, richtete sich auf und ließ den Lichtschein spielerisch über die Deckaufbauten gleiten, nachdem er die Lampe wieder eingeschaltet hatte. »Vermutlich unter Deck.«
Der Lichtschein tastete sich zu einem weiteren Aufbau und blieb zitternd daran hängen.
»Dort ist die Treppe?«, fragte Card.
Kemmler nickte wortlos.
Card holte seine Waffe hervor, nickte Kemmler grimmig zu und ging steifbeinig auf die bezeichnete Luke zu. »Geben Sie mir Deckung«, knurrte er. »Und - keine Rücksicht diesmal. Der Kerl hat uns schon einmal zu viel aufs Kreuz gelegt.«
Er griff nach der Klappe, ohne auf Kemmlers Antwort zu warten, stieß sie mit einem Ruck auf und spähte misstrauisch in den Bootsrumpf hinunter. Eine schmale Treppe, an deren unterem Ende ein dünner Lichtschein zu entdecken war, führte vor ihm in die
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