Raven - Schattenreiter (6 Romane)
bekommen!«
Der Gangster schluckte mühsam und wich einen Schritt auf den Korridor hinaus zurück, während Lorimar hinter ihm ebenfalls auf die Tür zustolperte.
»Komm schon«, drängte Standley, als Lorimar zögerte.
Im Gesicht des Schwarzen zuckte es. Er erreichte die Tür und warf Standley einen hastigen Blick zu.
Standleys verzweifelte Bewegung kam zu spät. Er wollte Lorimar warnen, ihn aufhalten, aber der Schwarze handelte mit fast übermenschlicher Schnelligkeit. Bevor Standley auch nur einen Laut hervorbringen konnte, zuckte seine Hand in die Jacke und riss den Revolver hervor.
Mit einer schlangengleichen Bewegung federte er herum, zielte auf den Alten und drückte dreimal hintereinander ab ...
Die Schüsse peitschten so schnell hintereinander, dass sie sich fast wie eine einzige Detonation anhörten. Standley erstarrte vor Schreck. Merlin wankte, als die drei Kugeln dicht nebeneinander in seine Brust einschlugen, und auf seinen Zügen erschien ein qualvoller, ungläubiger Ausdruck.
Aber er stürzte nicht.
Lorimar starrte den schmalschultrigen alten Mann entsetzt an. Die Geschosse hatten ein fast faustgroßes, schwarz gerändertes Loch in sein Gewand gerissen, seinen Körper durchschlagen und sich auf der anderen Seite des Zimmers in die Wand gebohrt. Aber der Alte lebte!
»Hund!«, keuchte Merlin. »Verräterischer Hund! Nur Feiglinge richten ihre Waffe aus dem Hinterhalt gegen die Hand, die ihnen das Leben schenkte!« Er machte einen Schritt auf Lorimar zu. Seine Augen flammten vor Wut. Von der sanften Strenge, die sein Gesicht bisher gezeichnet hatte, war nichts mehr geblieben. Merlins Gesicht hatte sich in eine verzerrte Grimasse verwandelt.
Standley wich Schritt für Schritt zurück. Aber Merlin schien ihn gar nicht zu beachten. Seine ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf Lorimar, der aus hervorquellenden Augen auf die Waffe in seiner Hand starrte und einfach nicht zu begreifen schien, dass er hier mit einer Macht konfrontiert wurde, gegen die menschliche Waffen nutzlos waren.
Er wankte zurück, prallte gegen die Wand und begann zu wimmern. »Was - was ist das?«, keuchte er. »Standley! Wieso - wieso lebt der Kerl noch? Was ...«
Merlin hob die Hand. Ein greller Blitz zuckte aus seinen Fingerspitzen und setzte den Türrahmen neben Lorimars Gesicht in Brand. Der Schwarze schrie auf, warf seine Waffe in hohem Bogen von sich und wandte sich verzweifelt zur Flucht.
»Standley!«, kreischte er. »Hilf mir! So hilf mir doch!« Er hetzte an dem immer noch wie gelähmt dastehenden Standley vorüber und schrie erneut auf, als ein zweiter Blitz dicht an seinem Kopf vorbeizuckte und eine rußige Brandspur an der Wand hinterließ. Die Luft roch plötzlich, als wäre sie elektrisch aufgeladen, und die schmale Gestalt des Magiers schien ein dämonisches Licht zu verstrahlen.
»Lauf!«, höhnte er. »Lauf um dein Leben, du verräterischer Hund!«
»Merlin! Hör auf!« Wilburn warf sich verzweifelt auf den Magier, aber Merlin wischte ihn mit einer fast mühelosen Geste aus dem Weg.
Wieder zuckte ein Blitz aus seinen Fingerspitzen, verfehlte den Schwarzen um Millimeter und setzte das hölzerne Treppengeländer mit einem dröhnenden Schlag in Brand.
Lorimar brüllte verzweifelt auf und hob die Arme vors Gesicht, um sich vor der Hitze zu schützen. Der schäbige Hausflur war plötzlich von flackerndem Licht und unerträglicher Hitze erfüllt. Lorimar taumelte einen Schritt auf die Treppe zu, aber die Flammen fraßen sich mit explosionsartiger Geschwindigkeit durch das ausgetrocknete Holz und schnitten ihm den Weg ab.
Auf der anderen Seite des Hausflurs wurde eine Tür aufgerissen, und ein bleiches, schmales Gesicht starrte aus schreckgeweiteten Augen in die lodernden Flammen hinaus.
Standley zögerte nicht mehr länger. Das morsche Gemäuer ringsum brannte bereits wie Zunder. In wenigen Sekunden würde das ganze Haus ein einziges Flammenmeer sein. Noch konzentrierte sich der Zorn des Magiers auf den Schwarzen, aber es konnte nur noch Sekunden dauern, ehe er sich auch ihm zuwandte.
Standley atmete entschlossen ein, spannte sich und sprang dann mit einem verzweifelten Satz durch die Flammen. Für den Bruchteil einer Sekunde hüllte ihn unerträgliche Hitze ein. Dann war er durch die Flammenwand und taumelte weiter die Treppe hinab.
Über ihm ertönte ein gellender Schrei. Er fuhr herum und starrte auf die lodernde Feuerwand, die den Korridor in zwei Hälften teilte.
»Spring!«, schrie er.
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