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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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übergangslos ernst. »Ist etwas mit Mr. Wilburn passiert?«
    »Das kann man wohl sagen«, nickte Card.
    »Was?«
    Card schüttelte den Kopf. »Später. Zuerst einmal erzählen Sie mir, was Sie mit Wilburn zu tun haben.«
    Raven überging die Frage, als habe er sie gar nicht gehört. »Was, in drei Teufels Namen, ist hier überhaupt los?«
    »Das möchte ich genauso gerne wissen wie Sie«, antwortete Card. »Es gab Feueralarm. Drei Dutzend Leute riefen bei der Feuerwehr an und sagten, das Haus stünde in hellen Flammen. Aber wie Sie sehen ...« Er lächelte gequält. »Irgendetwas stimmt hier nicht«, murmelte er. »Ich bin seit einer Stunde hier und verhöre die Leute, aber sie bleiben bei ihrer Behauptung. Alle. Jeder, der hier im Haus wohnt, behauptet, es habe gebrannt.«
    »Eine Massenhalluzination?«, vermutete Raven.
    Card zuckte unglücklich die Achseln. »Das wird wahrscheinlich das Wort sein, das in meinem Abschlussbericht steht«, sagte er. »Aber ich glaube nicht daran. Hundert Leute können unmöglich im gleichen Augenblick anfangen zu spinnen. Aber nun zu Ihnen. Was wollen Sie hier?«
    »Wilburn ist mein Klient«, sagte Raven. »Wir hatten eine Verabredung.«
    »Ihr Klient?«, echote Card.
    Raven nickte. »Haben Sie was dagegen?«
    Card grinste, wenn auch vollkommen humorlos. »Nicht im Geringsten. Aber Sie scheinen Ihren Klienten nicht viel Glück zu bringen, Raven. Ich glaube, wir haben uns bei einer ähnlichen Gelegenheit kennen gelernt.«
    »Wie ... meinen Sie das?«, fragte Raven stockend.
    »Habe ich das nicht erwähnt?«, entgegnete Card ruhig. »Wilburn ist tot.«
    Er lag auf hartem, kaltem Beton, als er erwachte. Er blinzelte, öffnete zögernd die Augen und blickte zu einem zerbrochenen Glasdach empor, auf dessen blind gewordenen Scheiben sich die letzten Strahlen der untergehenden Sonne spiegelten. Ein kühler Lufthauch fuhr durch das offen stehende Tor an der Südseite der Halle, spielte raschelnd mit Papier und Abfällen, die sich in Ecken und Winkeln angesammelt hatten, und ließ ihn frösteln.
    Er stand auf, drehte sich einmal unschlüssig im Kreis und versuchte sich zu erinnern, wie er hierhergekommen war. Es ging nicht. In seinem Gedächtnis war nichts als ein schwarzes, bodenloses Loch. Er hatte eine vage Ahnung von Hitze und Feuer, aber der Gedanke entschlüpfte ihm immer wieder, wenn er ihn zu ergreifen versuchte.
    Er wusste nicht einmal, wo er war. Quer über den rissigen Betonboden der Halle liefen Schienen, und an den Wänden waren noch hellere Flecke erkennbar, wo früher einmal große Maschinen oder Aufbauten gestanden hatten.
    Er wandte sich um und ging langsam zum Tor hinüber. Vor der Halle erstreckte sich ein weites, leeres Gelände, an dessen Rand endlose Reihen von Lagerhallen und Fabrikschuppen erkennbar waren, schon halb verschwunden in der einsetzenden Dämmerung und seltsam bedrohlich. Ein Gewirr von Schienen und Gleisen durchzog das Gelände, und südlich von seinem Standort reckte sich das Stahlskelett eines Krans in den Himmel.
    Und plötzlich wusste Wilburn, wo er war. Der alte Verschubbahnhof im Süden der Stadt! Er hatte sich nicht einmal sehr weit von seiner Wohnung entfernt. Früher hatte hier einmal so etwas wie das Herz der Stadt geschlagen, aber seit weiter im Westen Londons eine neuere und leistungsfähigere Anlage entstanden war, waren auch die meisten Firmen, die hier existiert hatten, weggezogen, und nichts als ein Labyrinth nutzlos gewordener Gleise und leerer verfallener Hallen war zurückgeblieben.
    Wilburn sah mit neu erwachter Furcht in die Runde. Normalerweise pflegte er Gegenden wie diese zu meiden. Er wusste, dass solche Gelände geradezu ideale Verstecke für alles erdenkliche Gelichter abgaben, und dieser alte Bahnhof hier machte da keine Ausnahme.
    Ein leises Geräusch hinter seinem Rücken ließ ihn herumfahren. Wilburn keuchte, wich einen halben Schritt zurück und blieb erleichtert stehen, als er die schmale Gestalt erkannte, die hinter ihm aus dem Schatten getreten war.
    »Merlin«, seufzte er. »Du bist es.«
    Der Magier nickte. Die Bewegung wirkte seltsam hart und gezwungen, fand Wilburn.
    »Wie - wie kommen wir hierher?«
    »Du erinnerst dich nicht mehr?«
    Wilburn versuchte es, aber wie zuvor war in seinen Gedanken nichts als Leere. Er hatte sogar Schwierigkeiten, sich an seinen Namen zu erinnern. Es war, als wäre jemand mit einem gewaltigen stählernen Besen durch sein Bewusstsein gefahren und hätte alles, was sich darin befand,

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