Raven - Schattenreiter (6 Romane)
doch«, flötete er. »Allerbeste Ware. Tweety hat grad gestern eine neue Lieferung reinbekommen.« Er zog die Nase hoch, nahm die Zigarette aus dem Mund und hielt sie ihr hin. »Auch 'n Zug?«
Hillary schüttelte hastig den Kopf. »Nicht hier«, sagte sie. »Meinen alten Herrn trifft glatt der Schlag, wenn ich auf offener Straße beim Kiffen erwischt werde.«
»Ist ja keine offene Straße«, grinste Coco. »Nun nimm schon! Stell dich nicht so an! Nachher auf der Party gibt's die besseren Sachen.«
Hillary drückte seine Hand mit sanfter Gewalt beiseite, zog ihn aus der Nische heraus und hakte sich bei ihm unter. »Jetzt nicht«, sagte sie bestimmt. »Und du solltest besser auch aufhören. Die Bullen sind in letzter Zeit verdammt hinter dem Zeug her. Und denen, die es verkaufen«, fügte sie hinzu.
Coco nahm einen tiefen Zug aus seinem »Stick«, zog abermals die Nase hoch und sah Hillary durchdringend an. »Woher weißt du das?«, fragte er. »Von deinem Alten?«
Hillary nickte. »Ich habe erst gestern Abend gehört, wie er sich mit Mutter darüber unterhalten hat. Das Drogenunwesen hat erschreckende Ausmaße angenommen, speziell hier in London. Sie wollen ein Sonderkommando aufstellen, das sich darum kümmert. Lauter Spezialisten.«
»Wie niedlich«, grinste Coco. »Kann mir richtig vorstellen, wie sie zwei Dutzend Möchtegern-James-Bonds auf die Stadt loslassen. Die Jungs werden sich schieflachen.« Er schüttelte den Kopf, nahm einen letzten Zug und schnippte die Kippe dann über die Bahnsteigkante. »Aber das ist mal wieder typisch«, fuhr er in verändertem Tonfall fort. »Wenn sich ein paar von den Jungs mal einen Joint reinziehen, um dieser beschissenen Welt wenigstens ein paar Farben abzugewinnen, dann fahren sie gleich mit großem Geschütz auf. Sonderkommandos - ha! Aber die großen Bosse, die sich Millionen einstecken und andere für sich schuften lassen, die lassen sie laufen, nicht? Sieh dir nur deinen Alten an, der ist gleich das beste Beispiel. Der hat doch in seinem ganzen Leben noch keine Sekunde ehrlich gearbeitet, da möchte ich wetten! All diese Bonzen, die mit ihren fetten Ärschen in fetten Autos hocken und schon allein dafür Geld kassieren, dass sie in ihren Direktionsetagen rumsitzen und nichts tun. Das sind doch die richtigen Verbrecher. Aber denen geschieht nichts. Im Gegenteil - sie werden noch dafür belohnt. Kriegen Orden und was weiß ich. Und im Fernsehen schwingen sie dann große Reden, dass es mit unserem Land bergab geht und die Jugend verkommt und ...«
»Coco, bitte!« Hillary seufzte, schüttelte den Kopf und warf Coco einen raschen, warnenden Blick zu. Er hatte laut gesprochen, und ein paar der Umstehenden waren auf ihn aufmerksam geworden. Die Blicke, die ihm zugeworfen wurden, waren alles andere als freundlich.
»Was ist, Kleines?«, grinste Coco. »Schiss? Brauchst du nicht zu haben. Diese Ärsche können ruhig hören, was ich zu sagen habe. Ist nämlich die Wahrheit. Die kleinen Fische fängt man, und die großen kriegen noch Zucker in den Arsch geblasen.«
»Hör endlich auf«, sagte Hillary leise. »Ich möchte nämlich mit dir zu Freddys Party und nicht auf die nächste Polizeiwache.«
»Da werden Sie aber landen, wenn sich Ihr Freund nicht mäßigt, junge Dame«, sagte eine Stimme hinter ihr.
Hillary fuhr zusammen, ließ Cocos Arm los und drehte sich um. Der Mann, der sie angesprochen hatte, mochte etwa fünfzig, fünfundfünfzig Jahre alt sein, klein und untersetzt, schon fast ein wenig zur Dickleibigkeit neigend und glatzköpfig. Er trug einen schäbigen grauen Anzug und darüber einen noch schäbigeren Regenmantel.
»Was will 'n der Scheißer?«, murrte Coco.
»Von Ihnen nichts, junger Mann«, antwortete der »Scheißer« ruhig. »Allerhöchstens Ihnen einen guten Rat geben. Sie ...«
»Ich brauch deine Ratschläge nicht, du Arsch«, knurrte Coco. Er schob Hillary mit einer beiläufigen Bewegung zur Seite, trat drohend auf den fast zwei Köpfe kleineren Mann zu und baute sich breitbeinig vor ihm auf. »Wenn du Arger suchst, Mann«, sagte er aggressiv, »brauchst du's nur zu sagen.«
Der Fremde zeigte sich von Cocos Gebaren nicht im Geringsten beeindruckt. Im Gegenteil. Er lächelte, trat einen halben Schritt zurück und musterte den hünenhaften Schwarzen mit einer Art gutmütiger Herablassung. »Ich suche keinen Arger«, sagte er. »Ich möchte nur vermeiden, dass Sie welchen bekommen.«
»Ich mag es nicht, wenn jemand meine Puppe anmacht«, zischte
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