Raven - Schattenreiter (6 Romane)
sie stumm um den Besitz der Eisenstange. Lancelot war jünger und kräftiger, aber Thompson kämpfte mit der Kraft der Verzweiflung. Es gelang ihm, den Eisenstab an sich zu reißen und zu einem weiteren Schlag auszuholen.
Lance wich im letzten Moment aus. Das Eisen schlug Funken sprühend neben seinem Kopf auf den Beton und glitt ab.
Thompson wurde von der Wucht seines eigenen Schlages nach vorne gerissen, stolperte und fiel schließlich der Länge nach hin. Ein dumpfer, lähmender Schmerz schoss durch seine Handgelenke, als er ungeschickt versuchte, den Sturz abzufangen. Er wälzte sich schwerfällig herum, sah Lance wie einen gigantischen, tödlichen Schatten über sich aufragen und versuchte verzweifelt, sein Gesicht zu decken.
Aber Lance hatte gar nicht vor, ihn weiter anzugreifen. Mit bedächtigen, fast gemächlich wirkenden Bewegungen drehte er sich um und ging die paar Schritte zu der Stelle hinüber, an der er seine Waffe verloren hatte. Ein böses Lächeln spielte um seine Lippen, als er Excalibur aufhob.
Thompson rappelte sich mühsam hoch. Die Eisenstange in seiner Hand kam ihm mit einem Male albern und lächerlich vor. »Lance ...!«, wimmerte er. »Lance ... bitte tu es nicht! Ich - ich gebe dir Geld ... so viel Geld, wie du haben willst. Bitte ... Lance ...«
Ein heller, singender Ton lag plötzlich in der Luft. Thompson stöhnte. Er wusste, dass er verloren war. Langsam wich er vor der Erscheinung zurück.
Lance lächelte. Aber es war ein Unheil verkündendes Lächeln. Die Klinge in seiner Hand begann zu glühen.
»Lance ... bitte nicht!« Thompsons Gesicht war vor Angst verzerrt. Sein Rücken stieß gegen etwas Hartes, Kühles. Er wich zur Seite aus, tastete wild mit den Händen umher und sprang dann mit einem verzweifelten Satz hinter den Stützpfeiler in Deckung.
Es war die letzte bewusste Handlung, zu der er fähig war.
Excalibur zuckte vor, schnitt mit einem hohen, kreischenden Geräusch durch den halbmeterdicken Beton und bohrte sich in Thompsons Herz.
Card blieb stehen. Er keuchte. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß. Die Straße erstreckte sich menschenleer und dunkel vor ihnen.
»Verdammt!«, zischte er. »Wenn Thompson sich hier irgendwo versteckt hat, können wir suchen, bis wir schwarz werden.« Er deutete mit einer wütenden Grimasse auf die scheinbar endlose Reihe niedriger alter Gebäude, die sich auf der linken Straßenseite erstreckte.
Die Häuser standen leer. Sanierungsruinen, die schon seit Jahren auf den Abbruch warteten. Einen einzelnen Mann dort zu finden, war fast unmöglich.
»Trotzdem«, sagte Raven, »wir müssen es versuchen.«
»Wir sollten Verstärkung anfordern. Allein ist es zwecklos.«
»Es ist zwecklos zu warten, bis Lance ihn vor uns erwischt. Er muss ganz in der Nähe sein.« Raven erstarrte plötzlich, schloss die Augen und lauschte konzentriert.
»Was ist?«, fragte Card aufgeregt. »Haben Sie etwas gehört?«
Raven winkte ungeduldig ab. »Still!«
Card verstummte. Und dann hörte er es auch. Irgendjemand schrie, dazwischen das helle Geräusch von Metall, das auf Stein trifft.
»Ein - Kampf?«, fragte Card zweifelnd.
Raven nickte. »Hört sich so an.« Seine Augen tasteten nervös über die Straße. »Es - es muss von dort vorne kommen«, flüsterte er. »Die Baustelle.«
Sie rannten los. Als sie die Straße verließen und den Maschendrahtzaun emporkletterten, hörten sie es ganz deutlich. In dem verlassenen Rohbau dort vorne musste ein Kampf auf Leben und Tod stattfinden.
Raven erreichte das Gebäude als Erster. Zwei, drei Sekunden lang hielt er verzweifelt nach einem Eingang Ausschau, dann ging er in die Knie, federte aus dem Stand hoch und zog sich ächzend an einer Fensteröffnung empor.
Die Quelle des Lärms schien jetzt unmittelbar vor ihm zu liegen. Ehe er weiterlief, wartete er ungeduldig, bis Card das Gebäude weniger elegant, aber beinahe genauso schnell betreten hatte. Ein Gewirr von halb offenen Räumen und Korridoren nahm sie auf.
»Es - es kommt von dort vorne«, sagte Card schwer atmend. »Aus der Halle.«
Raven nickte, übersprang eine Barrikade aus leeren Ölfässern und hetzte eine halbfertige Treppe hinunter.
Und dann, kurz bevor sie die Halle erreichten, hörten sie einen markerschütternden Schrei, der Raven einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Er hatte einen solchen Schrei schon einmal gehört, und er würde ihn niemals vergessen. So schrie nur ein Mensch, der Todesangst verspürte.
Die Stille, die dem Schrei
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