Raven - Schattenreiter (6 Romane)
du.« Janice' linke Augenbraue rutschte ein Stück höher. »Aber du musst nicht.« Sie trat vollends in die Wohnung, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Tür. »Wirklich, nur, wenn es unbedingt nötig ist«, sagte sie sarkastisch.
Raven rang nervös mit den Händen. »Wie - geht es deiner Erbtante?«
»Tante Margarete? Gut. Sie hatte nur ein wenig Fieber - du weißt ja, wie alte Leute manchmal sind. Aber sie erholt sich bereits wieder.«
»Das freut mich.«
»Heuchler. Also - was war los? Jagst du jetzt schon Maulwürfe?«
»So ähnlich«, sagte Raven. »Aber ...«
Das Geräusch der Türglocke rettete ihn davor, weitersprechen zu müssen. Janice runzelte die Stirn, stieß sich von der Tür ab und schlug die Klinke herunter.
Auf dem Korridor stand Card.
Und er sah auch nicht besser aus als Raven. Er schien noch keine Gelegenheit gehabt zu haben, sich umzuziehen.
Janice lächelte schmelzend. »Kommen Sie rein, Inspektor! Ich wusste nicht, dass Sie im selben Club sind wie er.«
Card runzelte fragend die Stirn und sah Raven an. »Ich weiß zwar nicht, was Ihre reizende Assistentin meint«, sagte er, »aber ich glaube, ich habe hier etwas für Sie.« Er griff in seine Brusttasche und förderte ein weißes Kuvert zutage. »Die versprochene Belohnung. Da soll noch mal einer sagen, dass der Yard nicht schnell ist.«
Raven stand auf. »Belohnung?«
Card nickte. »Dreitausend Pfund«, sagte er. »Die Belohnung für die Ergreifung von Craddocks Mörder.«
»Aber ich habe doch gar nicht ...«, protestierte Raven, aber Card schnitt ihm mit einer energischen Geste das Wort ab.
»Haben Sie doch«, sagte er. »Zumindest indirekt. Außerdem haben Sie mir das Leben gerettet. Ich habe ein gutes Wort bei meinem Chef eingelegt, um die Sache zu beschleunigen.«
Raven griff mit zitternden Händen nach dem Umschlag. »Dreitausend Pfund«, sagte er leise. »Inspektor, Sie sind ein Engel.«
»Das finde ich auch«, sagte eine Stimme hinter seinem Rücken. Eine schmale, sehnige Hand griff über seine Schulter und nahm ihm den Scheck aus den Fingern.
Raven fuhr herum. Aber seine Empörung verrauchte sofort, als er erkannte, wer hinter ihm stand. »Hanson ...«
»Ganz recht.« Hanson nickte erfreut, kritzelte etwas auf seinen Block und riss das Blatt heraus. »Genau die Summe, die Sie im Moment dringend brauchen«, grinste er. »Hier, ich gebe Ihnen eine Quittung.«
Dritter Teil
DIE RACHE
DER SCHATTENREITER
I rgendetwas stimmte nicht.
Äußerlich hatte sich nichts verändert, seit der Trupp seine Stellung am westlichen Flussufer bezogen hatte. Die Sonne war vor Stunden nach einer kurzen Dämmerung untergegangen, und das Gelb der Wüste, das silberdurchsetzte Blau des Flusses und das Glosen des Sommerhimmels waren dem gleichförmigen Graublau der Nacht gewichen.
Aber wirklich verändert hatte sich nichts. Die Wüste erstreckte sich noch immer reglos und scheinbar friedlich bis zum Horizont, und das einzige Geräusch, das von Zeit zu Zeit die Stille der Nacht durchbrach, war das Plätschern des Flusses, der sich träge durch sein Bett wälzte.
Und doch war etwas geschehen. Etwas, das Charbadan zwar nicht sehen, aber dafür umso deutlicher spüren konnte.
Er setzte den Feldstecher ab, ließ seinen Blick zum hundertsten Mal an diesem Abend über das erstarrte Sandmeer der Wüste gleiten und legte das Glas dann vor sich auf den Boden. Er war nervös. Eine unterdrückte, fiebrige Spannung hatte von ihm Besitz ergriffen. Ein Gefühl, das tief in seinem Innern brodelte und über dessen Ursache er schon den ganzen Abend nachgrübelte. Irgendetwas geschah oder würde geschehen. Er spürte es.
Seine Finger tasteten nach dem Feldstecher, glitten einen Moment lang über das kühle, glatte Plastikmaterial und schoben das Instrument dann entschlossen ins Futteral zurück. Vielleicht würde es seine Nerven beruhigen, wenn er aufstand und eine Runde um das Lager machte.
Trotz des Krieges waren sie hier sicher. Am Nachmittag hatten sie zwei Kampfjets gesehen. Kleine, irrsinnig schnelle Silberpunkte, die hoch über ihnen nach Westen jagten und weiße Kondensstreifen in den Himmel malten. Aber die Piloten dort oben hatten sich nicht um den Haufen müder Soldaten und den schrottreifen Panzer gekümmert.
Charbadan dachte oft über den Krieg nach. Er war Soldat mit Leib und Seele, und trotzdem hasste er diesen Krieg. Zumindest die Art von Krieg, die heute geführt wurde.
Er stammte aus einer Familie, in der
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