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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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angenommen.
    Einbildung?
    Er schüttelte den Kopf, atmete hörbar ein und wandte sich dann wieder an Sabid.
    »Es wird Zeit, dass wir Urlaub machen«, sagte er. »Wir sind seit drei Monaten unterwegs. Kein Wunder, wenn wir anfangen, Gespenster zu sehen.«
    Sabid schüttelte nachdenklich den Kopf. »Das ist es nicht. Es ist die Gegend hier. Wir sollten nicht hier sein.«
    »Wie meinst du das?«
    »Du bist nicht von hier?«
    »Natürlich nicht.«
    Sabid nickte. »Ich bin hier aufgewachsen. Jedenfalls in der Nähe. Die Berge hier ...« Er brach ab, biss sich auf die Lippen und starrte einen Augenblick lang zu Boden. »Man erzählt sich sonderbare Dinge über diese Berge. Früher einmal soll hier eine Räuberburg gewesen sein. Und angeblich treiben die Geister der Ermordeten noch immer ihr Unwesen in den Hügeln.«
    Charbadan schauderte. Normalerweise hätte er über solches Gerede gelacht. Aber Sabids Worte hatten irgendetwas in ihm berührt. Die scharfe Entgegnung, die ihm auf der Zunge lag, wurde zu einem unwilligen Grunzen. »Du redest Unsinn«, sagte er leise.
    Sabid antwortete nicht, aber sein Blick sprach Bände. Er spürte die wortlose Drohung so gut wie Charbadan, und er wusste auch, dass der andere sie spürte.
    »Ich übernehme jetzt die Wache«, sagte er statt einer direkten Antwort. »Leg dich ein paar Stunden aufs Ohr! Wir brechen sowieso bei Sonnenaufgang auf.« Er ging zu seinem Schlafsack zurück, hob die MPi auf und hängte sie mit gekonntem Schwung über die Schulter.
    Charbadan zögerte. »Ich kann sowieso nicht schlafen«, sagte er schließlich. »Außerdem ...«
    Der Berg hinter ihm flog auseinander.
    Ein ungeheurer, dröhnender Schlag ließ die Wüste erzittern. Charbadan wurde durch die Druckwelle von den Füßen gerissen, überschlug sich in der Luft und prallte mit einem schmerzhaften Schlag auf den Boden.
    Es war keine Explosion - es gab keinen Blitz, keine Flammen, keinen Rauch. Vor Charbadans ungläubig aufgerissenen Augen barst die massive Felswand auseinander, bebte, zerriss wie unter einem ungeheuren Hammerschlag und überschüttete das Lager mit einem Hagel von Steinen und Felstrümmern.
    Neben ihm begann Sabid zu schreien, aber das Geräusch ging im Dröhnen des zusammenstürzenden Berghangs unter. Ein kopfgroßer Felsbrocken hämmerte neben Charbadan in den Boden. Kleine, scharfkantige Steinsplitter rasten wie winzige Schrapnellgeschosse über das Lager, fraßen sich in den Boden, klatschten mit hässlichem Geräusch in Körper oder gegen den stählernen Leib des Panzers. Eine riesige Staubwolke erhob sich vom Fuß des Berges.
    Charbadan kam hustend auf die Beine. Sein linker Arm brannte, und aus einer Schnittwunde an seiner Schläfe tropfte Blut. Aber davon merkte er kaum etwas.
    Sein Blick hing fasziniert an der riesigen, gezackten Öffnung, die in der Bergflanke entstanden war. Das Loch war mindestens zehn Meter hoch und vier-, fünfmal so breit. Seine Form erinnerte Charbadan an ein gierig aufgerissenes Maul.
    Neben ihm richtete sich Sabid mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. In seinen Augen flackerte die beginnende Panik.
    »Sie kommen!«, stammelte er. »Sie sind da! Sie kommen, Charbadan!«
    Charbadan fuhr herum und gab ihm eine schallende Ohrfeige. Sabid taumelte einen Schritt zurück, griff sich an die Wange und schüttelte benommen den Kopf.
    Aber der Schlag hatte gewirkt. Der Blick seiner Augen klärte sich.
    »Danke«, sagte er leise.
    Charbadan nickte knapp und richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder voll und ganz auf den Berg. Hinter der gezackten Öffnung war ein sanftes dunkelrotes Glühen entstanden, als spiegelte sich der Widerschein eines unterirdischen Höllenfeuers an den zernarbten Wänden.
    Charbadans Herz begann wild zu hämmern. Das seltsame, beklemmende Gefühl, das schon den ganzen Abend lang in ihm gewesen war, verdichtete sich zu brodelnder Angst. Seine Hände begannen zu zittern.
    Einer der Männer tauchte schwer atmend neben ihm auf.
    »Was ist los, Kommandant? Ein Überfall?«
    Charbadan schüttelte mühsam den Kopf. Er versuchte, den Blick von der gigantischen Öffnung zu nehmen, aber es ging nicht. Irgendwie spürte er, dass dies nur der Auftakt war. Dass irgendetwas Schreckliches geschehen würde. Er versuchte zu sprechen, aber alles, was er hervorbrachte, war ein mühsames Krächzen. Hinter ihm erwachte der Panzermotor zu dröhnendem Leben, während die Männer in Stellung gingen.
    »Diese Narren«, wimmerte Sabid. »Sie - sie denken, der Feind käme.

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