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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Lara begriff, was sie hier wollten.
    Â»Das kannst du nicht tun!«, entfuhr es ihr, und sie baute sich drohend vor ihm auf. »Weißt du, wie ekelhaft das ist?«
    Â»Ach ja?« Tom schien sie ganz offenbar nicht zu verstehen. »Was ist denn so falsch daran? Meister Morinho ist weltberühmt für sein Handwerk.«
    Â»Wirklich?« Lara konnte es nicht fassen. »Es geht nicht in deinen sturen Handwerkerkopf rein, dass gewisse Dinge vielleicht möglich , aber absolut unerträglich sind, oder?«
    Sie war außer sich. Was dachte Tom sich eigentlich dabei? Geneva hatte ein Auge verloren. Das wusste Lara nun. Bisher hatte sie noch gehofft, es wäre nur eine gewöhnliche und heilbare Verletzung. Aber das Blut hinter der Augenbinde war noch nicht einmal getrocknet, da wollte Tom ihr ein Glasauge kaufen? Ein Glasauge?
    Â»Beruhig dich!«, sagte Tom. »Ich werde es ihr ja nicht gleich morgen geben.«
    Zu Meister Morinho gewandt, meinte er nur: »Einen Moment bitte.«
    Dann packte er Lara am Oberarm und zerrte sie in eine Ecke der Glasbläserwerkstatt.
    Â»Verrat mir, was ich tun soll, Lara McLane!«, zischte er. »Wäre Geneva nicht im letzten Augenblick dazwischengegangen, hätte mich einer von Rubens grässlichen Uhrwerkmännern aufgespießt. Ich verdanke ihr mein Leben. Was soll ich also tun? Soll ich eine stolze Frau wie Geneva bemitleiden? Wäre ihr damit geholfen? Oder würde das nur ihr Elend nähren wie trockenes Stroh ein Feuer? Das hier «, dabei deutete er mit einem Kopfnicken zur Vitrine, »ist das Einzige , was ich tun kann. Sonst habe und kann ich nichts.«
    Lara blieb stumm.
    Still beobachtete sie auch, wie Tom und Meister Morinho sich lange unterhielten über Farben und interessante Eigenschaften, die so ein Auge mit sich brachte. Anscheinend konnte man mit so einem Glasauge tatsächlich wieder sehen, oder zumindest so etwas Ähnliches. Über den Tauschgegenwert wurde erheblich kürzer diskutiert. Meister Morinho wünschte sich einen Schlüssel, der direkt in seinen Laden führte. Sein aktueller Schlüssel nach Ravinia führte ihn immer in die Gegend im Künstlerviertel hinter der Kathedrale, und man würde ja schließlich nicht jünger, sodass man als alternder Glasbläser ständig durch die halbe Stadt marschieren konnte, erklärte er ihnen. Tom willigte ein.
    Zumindest eines blieb Lara am Ende jedoch erspart: Tom ließ das erworbene Glasauge bei seinem Hersteller.
    Â»Ich wüsste nicht, wo ich es aufbewahren soll. Hier ist es besser aufgehoben, bis Geneva es tatsächlich brauchen sollte – oder haben will.«
    Es war der schwache Versuch, sich der verstimmten Lara wieder anzunähern, aber Tom war ja ohnehin nie ein großer Redner gewesen. So schwiegen sie den Rest des Weges durch die mittelalterlich anmutenden Gassen der Rabenstadt und bis zur Burg.

    Warum?
    Warum konnte Tom die Raben nicht leiden, wohnte aber trotzdem mit ihnen auf der Burg von Ravinia?
    Lara wusste es nicht, aber eigentlich war es auch egal. Irgendwann würde sie Toms mysteriöse Vergangenheit schon in Erfahrung bringen. Oder eben nicht. Dann würde er eben den Rest ihrer Lehrzeit ein seltsamer Kauz bleiben. Ob sie sich danach noch häufig sehen würden? Wer wusste das schon.
    Â»Es ist mir egal«, stöhnte Tom. »Ich habe gesagt, ich möchte keinen Raben hier in dieser Wohnung haben.«
    Â»Dann musst du mich wohl mit ihm rauswerfen«, versuchte es Lara so gleichgültig wie nur irgend möglich klingen zu lassen. »Allerdings hat Lord Hester darauf bestanden, dass ich hier wohne.«
    Tom verdrehte die Augen.
    Â»Na schön. Aber wenn das Vieh dieses Zimmer verlässt, dann schwöre ich, sperre ich es ans Ende der Welt weg.«
    Damit verschwand Tom aus dem Türrahmen und stapfte die Holztreppe hinunter, wobei er im Gehen das Licht löschte.
    Der Rabe Dexter lag auf einem zusammengefalteten Schaffell, das Lara von Tom bekommen hatte. Mit einigen Fellen würde sich das Leben auf einer Luftmatratze vielleicht ein wenig erträglicher gestalten, hatte er gemeint.
    Â»Hör mal«, krächzte Dexter heiser. »Ich will nicht, dass du Stress bekommst wegen mir. Tom ist wirklich nicht gut auf uns zu sprechen.«
    Â»Ach, der beruhigt sich schon wieder. Außerdem habt ihr mich gerettet, das sollte er sich vielleicht einmal durch den Kopf gehen lassen.«
    Â»Ja. Krah. Aber

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