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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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das ist immer noch kein Grund, Raben zu mögen.«
    Valerius hatte Dexter während des Kampfes auf dem Fabrikhof in den Flügel geschnitten. Es war nicht lebensbedrohlich, dennoch hatte der Rabe eine für seine Größe beträchtliche Menge Blut verloren und war die meiste Zeit benommen. Aber in einigen Tagen würde er schon wieder obenauf sein, da war Lara sich relativ sicher. Ihn gesund zu pflegen, sah sie als Teil ihrer Schuldigkeit Lord Hester und den Raben gegenüber an. Außerdem war es gut, die erste Nacht in einer alten Burg nicht allein schlafen zu müssen.
    Sie drehte den Lichtschalter an ihrem Kopfende, und die Glühbirne an der Decke erlosch surrend. Ein makelloser Sternenhimmel schien durch das Fenster über dem Schreibtisch herein. Ob es wohl dieselben Himmelskörper waren wie in Europa? Oder vielleicht in Asien oder Lateinamerika? Vielleicht würde sie in den nächsten Tagen ja etwas Zeit finden, um einmal in der Sternwarte hinter dem Rondell vorbeizuschauen. Solange mussten sie scheinen, ohne dass Lara mehr über sie wusste. Sie würden es zuverlässig tun, denn die Sterne waren die zuverlässigsten Wächter der Welt. Die Wächter aller Welten.

    â€“ Szenenwechsel.
    Für die einen mochte der Ort trostlos wirken, wie er dort klein und grau an der von Stürmen gebeutelten Westküste Schottlands lag. Für die anderen war er gerade deswegen ein Zuhause.
    Es war später Nachmittag, als der Bus hielt und der Mann ausstieg, dem es ebenso gut gestanden hätte, ein Wolf zu sein. Hermann Falter fuhr sich mit den Händen durch den dichten Schnauzbart und betrachtete die wenigen Straßen, die vor ihm lagen.
    Die Busfahrt war notwendig gewesen, denn Schlüssel hierher besaß niemand, den er kannte. Er bezweifelte sogar, dass es überhaupt mehr als ein oder zwei gab. Der Fahrer hatte ihn beim Lösen des Tickets irritiert angestarrt, da er nur für eine Strecke gebucht hatte.
    Â»Sie wissen schon, dass das einzige Hotel in diesem Kaff seinem Namen alles andere als Ehre macht?«, hatte er misstrauisch gefragt.
    Hermann Falter hatte es hingenommen. Was ging es den Busfahrer auch an, wohin er wollte und warum?
    Eine Mischung aus Gischt und Märzregen schlug ihm ins Gesicht, und er schlang den Trenchcoat eng um sich. Dann eilte er mit großen Schritten die Straße entlang, das Meer und den kleinen Fischereihafen zur Linken.
    Vor den verkümmert wirkenden Häusern saßen derbe Fischer, rauchten Pfeife und tranken Tee aus dickwandigen Bechern. Sie sprachen Gälisch, was Falter nicht verstand. Nein, dies war wohl nicht seine Welt.
    Er bog rechts ab, den Hang hinauf, weg von der Küstenstraße, vorbei an einem erbärmlichen Souvenirshop und wieder rechts in die erste Parallele zur Küstenroute.
    Vor einem kleinen Bruchsteinhaus machte er halt. Ja, die Hausnummer stimmte. Nun denn, einen Versuch war es wert – auch wenn seine Zielperson kaum so dämlich sein dürfte, immer noch hier zu wohnen. Aber diese langweiligen Dinge gehörten nun einmal zum Beruf. Ewige Reisen ohne Ziele.
    Er klingelte.
    Zweimal.
    Von drinnen ertönte das Kläffen eines kleinen Hundes.
    Na, immerhin war überhaupt jemand da.
    Dann wurde die Tür geöffnet. Ein bärbeißiger, aber in die Jahre gekommener Seemann stand in der Tür. Eine Quetschkommode hing erschlafft um seinen Hals. Ein Jack Russel Terrier zwängte sich zwischen seinen Beinen hindurch und wuselte aufgeregt mit dem Schwanz wedelnd um die des Kommissars.
    Â»Spot!«, rief der Seemann den kleinen Hund beim Namen, aber der ließ sich nicht davon abbringen, Hermann Falters Geruch begierig in sich aufzunehmen.
    Â»Ja, was gibt’s?«, fragte er schließlich an den Kommissar gewandt.
    Dieser versuchte mühsam, seinen Unglauben darüber zu verbergen, dass seine Zielperson tatsächlich immer noch hier wohnte.
    Â»Hermann Falter«, stellte er sich vor. »Kommissariat von Ravinia.«
    Wie vom Donner gerührt wich alle Farbe aus den Zügen des alten Seemanns.
    Â»Was … was wollen Sie?«, stammelte er, während er schon den Rückzug ins Innere des Hauses antrat.
    Â»Ich muss mit Ihnen reden«, versuchte es Falter, während er dem Mann nachstieg. Er zückte seinen Revolver – zur Vorsicht, mit diesen Leuten war nicht zu spaßen.
    Der kleine Jack Russel folgte ihm aufgeregt schnüffelnd nach drinnen.
    Â»Herr

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