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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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gleichgültig ob Erwachsener oder Kind –, dem es völlig egal war, was der Rest der Welt von ihm dachte.
    Den Leuten ist das, was sie nicht verstehen, unheimlich. Das hatte Lee schon früh eingesehen.
    Â»Dein Vater hätte sicherlich nicht gewollt, dass du rauchst«, hatte Mrs Anderson ihm noch gesagt. Dann hatte sie ihm das Zippo-Feuerzeug einfach so in die Hand gedrückt.
    Und tatsächlich. Lee hatte niemals eine Zigarette damit angezündet. Rauchen war etwas, das er ohnehin nicht ganz verstand. Es war ungesund, schmeckte und roch schlecht und war teuer. Wieso in aller Welt hielten sich Jungs, die rauchten, für cool? Er verstand es nicht. Hatte es schon nach seiner ersten Zigarette, ja nach dem ersten Zug nicht mehr verstanden.
    Doch dass er solche Dinge nicht verstand, sorgte wiederum nur dafür, dass die Welt ihn nicht verstand.
    Er zuckte mit den Schultern, ließ das Zippo-Feuerzeug einen Purzelbaum über seinen Handrücken schlagen und steckte es wieder in die Tasche seiner speckigen Lederjacke.
    Wenn nur diese wiederkehrenden Träume nicht wären.
    Wurde er sich am Ende schließlich selbst unheimlich?
    Er begann, auf der Unterlippe zu kauen, wie er es immer tat, wenn er angestrengt über etwas nachdachte, und stapfte weiter durch die Dunkelheit des frühen Morgens und den eiskalten Wind Neuenglands in Richtung Schulbus.

    Der Vormittag schleppte sich dahin. Wie zäher Sirup.
    Warten.
    Warten war etwas, das Lara noch nie gut gekonnt hatte.
    Was würde jetzt geschehen, wo sie mitten in einem, nein drei Mordfällen steckte? Tom hatte ihr erklärt, dass man in Ravinia irgendwann ein Kommissariat eingerichtet hatte, um den Stadtrat zu entlasten. Früher hätten alle Angelegenheiten dieser Art vor den Rat gebracht werden müssen, dessen Mitglieder oftmals gar nicht dafür ausgebildet waren, sondern einfach nur Meister ihres Fachs, ihres Handwerks waren.
    Eusebius Lanchester – so erfuhr Lara auf diese Weise – gehörte ebenfalls dem Stadtrat an.
    Jede Zunft in Ravinia stellte einen Rat ab. Meistens war es der Zunftvorsteher selbst. Darüber hinaus gab es noch einige andere Ratsmitglieder, die aufgrund ihrer Bedeutung oder ihres Verdiensts um die Stadt eine Ratsmitgliedschaft auf Zeit innehatten.
    Heutzutage gab es auf jeden Fall die Kommissare von Ravinia. Und obgleich sie selbst keine besonderen Talente mitbrachten, wie es in Ravinia üblich war, so galten sie doch allesamt als außerordentlich begabt, was das Lösen von Fällen anging.
    Auf die Frage, woher die Kommissare denn kämen, erklärte Tom, dass dies alleine der Rat zu hundert Prozent wüsste. Aber im Allgemeinen würde davon ausgegangen, dass die Kommissare ihren Beruf schon ausgeübt hatten, bevor sie nach Ravinia gekommen waren.
    Schließlich hatten sie einen Haufen ausgetrunkener Kakaobecher in die Ablage gestellt und waren in den Straßen eines vormittäglichen Lissabons verschwunden.
    Sie hatten sich eine stille Gasse gesucht, weit ab von den großen Hauptstraßen oder jenen Teilen der Stadt, in denen Touristen auf die Jagd nach Schnappschüssen und Souvenirs gingen.
    Nun standen sie vor der kleinen Tür eines Schuppens, deren Lack schon immer abzublättern schien und deren Besitzer sich womöglich nicht an den Zustand davor erinnern konnte.
    Tom erläuterte den Plan. Es klang ein wenig wie ein Detektivspiel für Kinder.
    Â»Ich gehe vor in den Laden. Wenn die Übrigen schon da sind, winke ich, und du kannst nachkommen. Sollte uns der Nachtwächter oder sonst wer auflauern, hast du genug Zeit, um die Tür zuzuziehen.«
    Â»Und was mache ich in dem Fall?«
    Tom kratzte sich am Kopf. Richtig. Dann war Lara alleine in Lissabon. Ohne Geld, ohne Fahrkarte, nur mit einem Schlüssel, der sie in die Falle locken würde.
    Er zog seinen Schlüsselbund hervor und machte zwei Schlüssel ab.
    Â»Charlton Hill«, meinte er. »Und London Underground, dort, wo wir schon waren.«
    Er steckte sie in die Taschen seines Mantels, den Lara im Augenblick trug und sagte: »Zum Charlton Hill kannst du, wenn du unbedingt nach Edinburgh willst. Das ist praktisch, weil damit niemand rechnen würde und du trotzdem einen Schulfreund oder jemanden, den du kennst, aufsuchen könntest. Und der Untergrund von London ist praktisch, wenn man vor jemandem fliehen muss.«
    Dann klopfte er Lara auf die Schulter.
    Â»Bereit?«
    Sie

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