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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Ravinia Schreiber geworden. Ein Schreiber mit einem düster düsteren Herzen. Er war so außerordentlich talentiert, dass er mit dem, was er schrieb, die unglaublichsten Dinge bewirken konnte. Und er bewirkte eine Menge. Vor allem eine Menge schrecklicher Dinge.«
    Tom atmete die salzige Hafenluft ein, in der sich Meer und Öl zu einem melancholischen Duft mischten.
    Â»Es muss eine Zeit voll von finsterem Schrecken und unglaublicher Angst in Ravinia gewesen sein. Die Leute schweigen bis heute darüber, wenn sie können.«
    Â»Was ist mit ihm geschehen?«
    Â»Einige kluge und verzweifelte Köpfe stellten Roland Winter eine Falle. Eine grausame Falle. Sie sperrten ihn in ein Bild.«
    Â»In ein Bild?«
    Lara klang skeptisch.
    Â»Zweifle nicht so viel! Wir sind schließlich erst vorhin durch eine Kiosktür aus einer Londoner U-Bahn-Station nach Lissabon gekommen.«
    Schweigen.
    Â»Dieses Bild«, erklärte Tom schließlich weiter, »hängte man in einen Raum, der nur mit einem einzigen, fälschungssicheren Schlüssel zu öffnen ist. Dieser Schlüssel wurde den Nachtwächtern überantwortet, da man der Meinung war, er sei dort am sichersten.
    Das war er auch. Bis gestern Nacht.«
    Langsam fügte sich in Laras Kopf ein Bild zusammen. Ein Bild mit dunklen Farben. Verzweifelt und grausam. Aber auch die finstersten Puzzleteile helfen, ein Bild zu komplettieren.
    Â»Er hat ihn. Der düstere Mann mit den langen Haaren.«
    Tom nickte.
    Â»So sieht es wohl aus. Diejenigen Nachtwächter, die Dienst hatten dort im Herzen der Wache, an jenem Ort, den außer den Nachtwächtern selbst niemand kennt – und selbst von ihnen wissen lange nicht alle darum –, diese beiden Nachtwächter wurden gestern Nacht ermordet. Anita Gomez und Ludovic Peters.
    Nun hat unser dunkler Freund vermutlich den Schlüssel, was nur eines heißen kann:
    Er will Roland Winter aus seinem gemalten Gefängnis befreien.«
    Â»Aber was hat das Gedicht damit zu tun?«
    Â»Das Gedicht ist wiederum eine Art Schlüssel zu dem Bild. Es wurde von deiner Großmutter geschrieben und gelesen. Nur sie könnte Winter jemals wieder aus seinem Kerker aus Farbe entlassen –«
    Â»Aber was soll ich dann –«
    Â»â€“ oder ein Nachkomme.«
    Damit war es ausgesprochen. Lara schwieg. Sie wusste nichts zu sagen. Der Strudel der Ereignisse und Geschichten hatte begonnen, sich loszureißen, und an Kraft und Größe derart zugenommen, dass er nicht mehr aufzuhalten war. Er konnte nur noch alles verschlucken, was seinen Weg kreuzte.
    Â»Du siehst, junge Miss McLane, der abtrünnige Nachtwächter hatte allen Grund dazu, nach dir zu suchen.«
    Kalt. Es wurde kalt in Lara. Sie war nicht nur etwas zu dünn angezogen, sondern viel zu dünn, als dass all diese Dunkelheit nicht doch eine Ritze oder einen Spalt, ja vielleicht auch nur eine zu weite Masche in ihrer Kleidung hätte finden können. Und dort drängte sie gnadenlos hinein und breitete sich aus. Denn Dunkelheit ist wie Eis. Es setzt an einer Stelle an und breitet sich von dort aus wie eine Krankheit.
    Â»Lass uns ein Stück gehen«, sagte Tom sanft. So sanft er konnte, bei all dem, was in seinen Augen lag. Es sollte aufmunternd wirken oder beruhigend. Aber es klang verlegen. Wie eine Floskel statt eines guten Rates.
    Â»Wie konnte mir all das nur passieren?«, hauchte Lara in den Wind. Mehr zu sich selbst als zu Tom.
    Und dennoch bekam sie eine Antwort.
    Â»Schicksal«, flüsterte Tom.
    Und es hallte nach in Laras Kopf. Denn es war nicht so leicht dahergesagt. Es war aufrichtig gemeint und Toms voller Ernst.
    Sie setzten einen Schritt vor den nächsten und legten eine lange Strecke über die alte Hafenmauer zurück, an deren Ende eine weitere Treppe lag. So wie Edinburgh eine Stadt der Treppen war, so schien Lissabon eine Treppe von Stadt zu sein.
    Schließlich setzten sie sich in einen McDonald’s und tranken in aller Herrgottsfrühe heißen Kakao oder das, was man ihnen dafür verkaufte. Ganz egal, es half gegen die Kälte. Und kalt war es, denn es war März. Früher, unsagbar junger Frühling. Auch hier in Portugal.
    Sie redeten nicht viel, aber Lara fühlte sich nicht schlecht dabei. Mit Tom konnte man gut schweigen. Sie wusste noch nicht, dass sie genau das noch lange an ihm schätzen würde, denn dieser frühe Morgen war erst der

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