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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Sullivan offenbar seinen Thron auf der Parkbank über den Gärten geräumt hatte. Die aufgezogenen Wolken und der böige Wind sprachen allerdings auch gegen einen längeren Aufenthalt in der Mittagszeit in einem sonderbaren Garten in einer sonderbaren Stadt.
    Das Wetter ändere sich in Ravinia nach völlig uneinsichtigen Maßstäben, hatte Tom ihr erklärt, der – wie üblich – ansonsten den gesamten Rückweg bisher vor sich hin geschwiegen hatte. Lara hatte schon überlegt, ob Tom Truska zu viel dachte, und die innere Lautstärke seiner Gedanken und düsteren Grübeleien es verböten, sich nebenbei nach normaler menschlicher Natur zu unterhalten.
    Schließlich wurde der Besuch in den botanischen Gärten von einem unerwarteten Ereignis gekrönt.
    Lara stellte die Frage, deren Antwort sie eigentlich gerne gehabt hätte, ohne danach zu fragen, aber in Toms Welt waren bereitwillige Auskünfte offenbar eine Nebensächlichkeit, wenn er auch – so viel musste Lara ja zugeben – keine unnötigen Geheimnisse machte. Zu akzeptieren, dass jemand einfach merkwürdig ist, fällt dem Verstand um einiges schwerer, als nach Gründen für etwaiges Verhalten zu suchen.
    Â»Was tun wir jetzt?«, wollte sie wissen. »Gehen wir in die Highlands, um dem verdammten Sturmbringer die Leviten zu lesen?«
    Kampfeslust machte sich in Laras Bewusstsein breit. Sollten Roland Winters Anhänger doch für ihre Grausamkeit bezahlen.
    Tom schüttelte den Kopf.
    Â»Du bist ein Hitzkopf. Nein. Den Seemann überlassen wir den Nachtwächtern oder den Kommissaren. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass er gerade heute zu Hause ist. Wir gehen in die Bibliothek, wie es abgemacht war.«
    Â»Kann ich mitkommen?«
    Ganz plötzlich, ungewohnt schüchtern und offensichtlich vom Hochmut geheilt oder ernüchtert kam diese Frage von Liza, die sie eigentlich am Torhaus in die wirre Welt einer Stadt mit sprechenden Raben hatte entlassen sollen.
    Tom und Lara wechselten einen Blick, der von Toms Seite aus so viel hieß wie Warum nicht? und von Lara eher gemeint war wie Wenn es sein muss .
    Schließlich nickte Tom Liza zu.
    Â»Vielleicht kannst du uns wirklich helfen. Immerhin hast du einen gewissen Scharfsinn.«
    Â»Ich will wirklich nur helfen.«
    Es klang ein wenig wie ein Geständnis zwischen Läuterung und Dankbarkeit.
    Mehr Worte bedurfte es nicht, und mehr wurden auch nicht gesprochen. Lara hatte beschlossen, sich einfach an das Schweigen Tom Truskas zu gewöhnen.

    Wo kommen die Ideen her?
    Als Antwort darauf hätte ein Philosophielehrer sicherlich mit einer Fülle von möglichen Modellen, die sich die klugen und weniger klugen Köpfe der letzten Jahrtausende diesbezüglich ausgedacht hatten, um sich geworfen. Aber egal, ob es nun einen irgendwie gearteten präexistenten Ideenpool gab, dessen Abbild durch Löcher, die in ihn hineingedacht wurden, in die Welt tropfte, oder ob es von Charakter und Intention des Denkenden abhing, welche Form die ausgespuckten kreativen Ansätze hatten, am Ende musste man feststellen, dass es keine befriedigende Antwort gab.
    Aber wer kam auf die Idee, einen riesigen, achteckigen Bau, über und über verziert mit geschwungenen Jugendstilornamenten, Fenstern und Balkonen, in die Welt zu setzen? Wahrscheinlich war Ravinia ganz einfach ein Epizentrum der Extravaganz.
    Als Lara ihre Gedanken laut aussprach, kommentierte Liza Reeds, dass sie bestimmt noch nicht die hängenden Häuser gesehen habe.
    Hängende Häuser?
    Ja, hängende Häuser. Eigentlich seien es nur Wohnungen, zusammengezimmert und von unterschiedlicher Größe, aber auf jeden Fall von abstruser Form. Sie seien mit verschiedenen Methoden an der Außenseite der Stadtmauer befestigt worden, da man die Mauer ja an sich nicht brauchte. Zumindest nicht zu üblichen Zwecken. Man hatte sie einst errichtet, um vor eventuellen feindlichen Angriffen sicher zu sein. Damals wusste man noch nicht, dass es keine Feinde gab, die Ravinia und den dunklen Fluss umgaben. Man hatte insgeheim sogar vermutet, die Stadt würde auf einem bisher unentdeckten Landstrich der Erde stehen. Soweit sich das anhand von Satellitenbildern ablesen ließ, war dem aber nicht so. Außerdem verhielt sich Ravinias Umwelt ohnehin sehr merkwürdig. Lara sei sicher das ständige Flirren der Landschaft am anderen Ufer

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