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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Tom wiederum nicht so unangenehm zu sein schien.
    Â»Wehe, irgendeins von euch Viechern macht auf die Bücher!«, hatte der Bibliothekar gedroht, um gleich darauf voneinem darüber höchst amüsierten Lord Hester gefragt zu werden, was er denn in einem solchen Fall mit dem Übeltäter zu tun gedenke. Offenbar tat Lord Hesters natürliche Autorität ihre Wirkung, und die Verwünschung der Raben blieb dem ansonsten so charmanten Bücherwurm im Halse stecken.
    Im Vorbeigehen bemerkte Lara, wie sich Berrie besorgt mit Geneva unterhielt. Sie schienen sich zu kennen. Vielleicht waren sie Freundinnen, denn die Wahrsagerin mit der espressoschwarzen Haut zeigte sich offensichtlich besorgt wegen Genevas Verletzung. Die hatte ihrerseits anscheinend wenig Lust auf eine Unterhaltung, geschweige denn Interesse an Mitleid. Aber so war sie momentan zu jedem. Und Lara konnte es ihr nicht verdenken.
    Als sich schließlich alle Anwesenden – der Nachtwächter Mordred ausgenommen – in einem hohen Studierzimmer, das umgeben war von Bücherregalen, und unter den wachsamen Knopfaugen eines Dutzend großer Raben eingefunden hatten, bemühte sich Christopher Davenport nun als übereifriger Moderator der Runde.
    Sie hatten sich um einen großen Tisch, auf dem sich etliche Bücher stapelten, geschart. Baltasar, der neben Lara saß, beugte sich zu ihr hinüber und raunte: »Du musst verstehen, dass er aufgeregt ist. Winter war selbst ein Schreiber, und bei seiner eigenen Zunft sitzt der Schrecken natürlich sehr tief.«
    Lara zog interessiert die Augenbrauen nach oben. Sie hatte nicht gewusst, dass Davenport ein Schreiber war. Aber was sollte er auch sonst sein als Bibliothekar? Lesen alleine fiel anscheinend nicht unter die besonderen Talente der Bewohner von Ravinia.
    Â»Trotzdem ist er ein Clown«, raunte sie zurück.
    Baltasar zwinkerte ihr zu.
    Â»Sagen wir ein Selbstdarsteller.«
    Beiden huschte der Schatten eines Grinsens über das Gesicht, dann richteten sie ihre volle Aufmerksamkeit auf die Versammlung in diesem seltsamen, achteckigen Gemäuer.
    Zuerst trug man die Fakten zusammen, die – zugegebenermaßen – etwas dürftig ausfielen.
    Valerius Julianus war auf der Wache tatsächlich seit einer Handvoll Tagen nicht mehr gesehen worden. Er galt als sehr begabt, sodass er zum Kreis der Wenigen gehörte, die um den Aufbewahrungsort des fraglichen Schlüssels wussten und auch zu dessen Bewachung abgestellt worden waren. Allerdings hatte Valerius Urlaub eingetragen. Man konnte sich bei den Nachtwächtern die Umstände seines Verrats schlecht erklären, denn eigentlich wurden die Nachtwächter erst nach einer Reihe psychologischer und charakterlicher Tests unter Eid genommen, bevor sie in höhere Ränge und Dienstgrade aufsteigen durften. Von einer wie auch immer gearteten Erkrankung seines Sohnes hatte dort niemand gewusst.
    Â»Es ist also sehr nützlich, wenn man seine Ohren ab und zu in die Tiefen der Stadt ausstreckt, sonst hätten wir vermutlich nie davon erfahren«, resümierte Lord Hester.
    Â»Du meinst uns«, krahte es frech zu ihnen herab.
    Â»Punkt für euch, Jungs«, gab der Lord zurück und stand auf, um mit hinter dem Rücken gefalteten Händen durch das Studierzimmer zu flanieren.
    Â»Sein Kind ist der einzige Schwachpunkt, den ich mir bei einem Nachtwächter von Valerius’ Rang vorstellen kann. Die Sturmbringer könnten das ausgenutzt haben, um ihm falsche Versprechungen zu machen. Aber wir wissen immer noch nicht genau, was der Junge hat. Macht man sich auf der Wache über solche Möglichkeiten denn keine Gedanken, Geneva?«
    Der Blick eines unverbundenen, smaragdgrünen Auges wanderte zum Lord herüber, und die blonde Frau schüttelte nur den Kopf.
    Â»Offensichtlich nicht. Oder es wusste tatsächlich niemand davon, dass der Junge krank ist. Ich wusste es zumindest nicht. Und obwohl ich nicht ganz oben stehe, behaupte ich, dass es auch unter Nachtwächtern in solchen Fällen genug Gerede gäbe und Valerius freigestellt, beurlaubt oder vielleicht sogar unter Beobachtung gestellt würde. Außerdem hätte die Wache sicherlich alles in ihrer Macht stehende für das Wohl des Jungen getan.«
    Lord Hester blieb stehen.
    Â»Träfe es also zu, dass der Junge relativ plötzlich erkrankt wäre – an was auch immer –, hätte es vielleicht

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