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Ravinia

Titel: Ravinia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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kleinen Schnurrbart geziert, und er verbeugte sich elegant vor den jungen Frauen. In Laras Schule wäre in diesem Moment die weibliche Hälfte der Klasse schlagartig dem Charme des Mannes erlegen. Und obwohl Lara dazu neigte, einen kühlen Kopf zu bewahren, streckten sich die Fühler der Davenport’schen Eleganz unscheinbar auch ein wenig nach ihr aus. Als sie zur Seite schielte, musste sie zu ihrem Vergnügen feststellen, dass es der vorlauten Liza Reeds im ersten Moment nicht anders zu gehen schien.
    Christopher Davenport schlenderte hinüber zu seinem Schreibtisch, wobei er einen flüchtigen Blick auf die Papiere warf, die er von oben mit hinuntergebracht hatte.
    Â»Also, was führt euch her?«
    Tom hatte offenbar nicht viel für die spielerische Leichtigkeit des Bibliothekars übrig.
    Â»Roland Winter«, sagte er nur, doch das reichte, damit der lässige Christopher Davenport seinen Stapel Dokumente auf den Boden fallen ließ.
    Â»Sag das noch mal«, forderte er Tom ungläubig auf.
    Der schüttelte nur kurz den Kopf.
    Â»Du hast mich schon verstanden. Ich bin auf der Suche nach Geschichten.«
    Und erneut wurden die Geschehnisse der letzten Tage vor einem entsetzten Zuhörer ausgebreitet. Während Tom erzählte, stützte der Bibliothekar sich erst an seinem Schreibtisch ab, dann setzte er sich auf den Teppich, auf die Stufe, die den Schreibtisch zu einer Art Podium gegenüber dem Rest des Raumes erhob.
    Als Tom geendet und sich Christopher Davenport wieder halbwegs gefasst hatte, klopfte es an der Tür. Liza öffnete, und Baltasar und Geneva traten ein, die beide bedauernd den auf dem Teppich hockenden Christopher Davenport ansahen.
    Â»Ihr sucht wirklich dringend Informationen, oder?«, vergewisserte dieser sich noch einmal ungläubig.
    Alle nickten.
    Der junge Bibliothekar stand auf.
    Â»Dann müssen wir wohl zu drastischen Maßnahmen greifen«, meinte er und rieb sich die Hände, während er durch die Tür seines Büros nach draußen in die Halle trat.

    Â»Meine Damen und Herren«, eröffnete Christopher Davenport die Runde wie ein Zirkusdirektor die anstehende Show. Er machte eine weiträumige Bewegung, als müsse er eine Menagerie vor sich dirigieren.
    Zuerst hatte er die Bibliothek geschlossen und sämtliche Besucher wie aufgescheuchte Tauben hinauskomplimentiert. Der rot gewandete Nachtwächter war ihm dabei freundlich, aber bestimmt zur Hand gegangen.
    Nachdem das Sammelsurium merkwürdiger Leute, das Ravinia bis in alle Ecken bevölkerte, die Bibliothek verlassen hatte, hatte der Wächter die Tore verschlossen und sich mit Tom in ein langsames Gespräch vertieft. Lara nannte es zumindest für sich ein langsames Gespräch, da die Pausen zwischen den einzelnen Sätzen in ihren Augen unerträglich lang waren. Aber was wollte man erwarten, wenn zwei äußerst wortkarge Menschen Zeit miteinander verbrachten? Tom blieb mit der Begründung am Eingang, dass er ja noch ein paar fehlende Leute einzulassen habe. Allerdings war Lara der Ansicht, ihm sei lediglich die extrovertierte Gegenwart des Bibliothekars zuwider, was sie auf der anderen Seite aber auch nicht ganz verstehen konnte, denn Christopher Davenport war in diversen Lesesälen eifrig von einem Regal zum nächsten geturnt und hatte stapelweise Bücher zusammengetragen. Liza und Lara waren getrennt voneinander durch die Bibliothek geschweift und hatten es, wenn sie sich trafen, vermieden, Worte auszutauschen, während Geneva und Baltasar im Büro des Bibliothekars einer Lieblingsbeschäftigung nachgingen: Sie tranken Tee. Allerdings redeten auch sie nicht sehr viel miteinander. Geneva war mit ihrem verbundenen Auge lediglich ein Häufchen Elend mit einer grünen Haarsträhne.
    Schließlich war der Rest der bekannten Gesichter eingetroffen. Zuerst war Kommissar Falter erschienen – zu Toms Überraschung, da er eigentlich vermutet hatte, das Kommissariat würde sich in diesem Fall darauf beschränken, die Morde an den Nachtwächtern und dem Stadtvaganten aufzuklären. Später waren Lee und Berrie aufgetaucht sowie Lord Hester in Begleitung einer Schar Raben – sehr zu Toms Missfallen. Die großen, schwarzen Vögel hatten sich im Handumdrehen in sämtlichen Räumen, Sälen und Studierzimmern der Bibliothek breitgemacht, und zwar unter dem lauten Gefluche Christopher Davenports – was

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