Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze
die fehlende Verbindung zwischen
der Frau und mir.
Er blickt auf den Bildschirm und tippt die escape- Taste. Alice erscheint wieder. »Schon
gut. Ich glaube dir ja«, sagt er beruhigend.
Um nicht zu schreien, balle ich die Fäuste und
presse sie gegen meine Lippen.
Connor macht ein bestürztes Gesicht. »Bitte, du
musst nicht solche Angst vor mir haben. Ich … tue dir nicht weh. Versprochen.«
Vorsichtig greift er nach meinen Händen und
umschließt sie fest. Er ahnt ja nicht, was für ein Feuersturm in mir brennt.
Die andere Frau – für den Bruchteil einer Sekunde habe ich meine leibliche
Mutter gesehen. Ihr Gesicht hat sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt. Mir
bleiben nur ein Medaillon und ein Blick – das wird alles sein. Aber wenigstens
hat sie jetzt ein Gesicht.
»Soraya, beruhige dich! Du hast nichts von mir zu
befürchten«, murmelt Connor.
»Was sind das für Leute auf deinem PC?«, sage ich
ganz leise.
Er lässt los. »Ungelöste Fälle. Kollegen.
Aufträge. Besser, du weißt es nicht.« Er dreht sich um, schaltet das Programm
ab. Die Startseite des Musikprogramms erscheint.
Endlich kann ich wieder klar denken. Da war Alice.
Die sanfte, liebe Alice. Er hatte ihr Bild auf seinem Computer. Sicherlich nur,
um sie auszuspionieren.
» Warum bespitzelst du Alice?«, frage ich.
»Du glaubst, ich observiere sie?« Er lacht leise. »Gewiss
tue ich das nicht. Ich habe mich nur aus reiner Gründlichkeit über sie
informiert.«
Ich blinzele. Das Atmen fällt mir schwer, es ist,
als wäre die Luft zu Eis kristallisiert.
»Du spionierst ihr also doch nach.«
»Ich sagte doch, ich bin nicht auf sie angesetzt.«
Plötzlich geht ein winziges Fenster in seinen
Augen auf und ich kann lesen, was er denkt. Ich weiß nicht, wie es möglich ist,
irgendetwas in seiner Miene hat ihn verraten, doch nun kenne ich die Antwort –
und ich bin mir sicher, dass ich mich nicht täusche.
»Sie ist eine Kollegin von dir?«, zische ich.
»Nein, das nun wirklich nicht. Wir arbeiten immer
solo«, weicht er aus.
»Sie ist ein Sucher«, sage ich. Connor kann mir
nichts mehr vormachen.
Seine Lider flattern. »Ja, es ist manchmal
enttäuschend, wer alles kein Freund
ist. Deine Feinde kennst du. Aber deine Freunde?«
Ich schlucke. »Ist sie auf eines der Mädchen
angesetzt?«
»Keine Ahnung. Aber selbst, wenn ich es wüsste,
würde ich es dir nicht sagen.«
Er sieht mir eine Weile ruhig in die Augen. Ich
kann nichts Feindseliges darin erkennen.
Schließlich gleitet sein Blick an mir vorbei,
verliert sich irgendwo an der Wand hinter mir.
»Willst du mal sehen, wie die Sterne funkeln?«
»Ja«, sage ich leise.
Connor schaltet die Musik lauter, er greift nach
der Fernbedienung und fährt mit dem Rollstuhl einen Halbkreis bis vor die
schwarze Wand. Dort lauscht er einem klassischen Orchester.
Ich weiß nicht, was ich tun soll.
Schließlich ziehe ich meinen Stuhl herum und setze
mich neben ihn.
Er tippt auf die Fernbedienung.
Langsam wird das Oberlicht dunkler. Dann erlischt
es.
Zurück bleiben ein schwarzer Raum und die Illusion
funkelnder Sterne.
Und Connor.
Und ich.
Er dreht den Kopf.
»Danke, dass du zurückgekehrt bist. Du hättest
gehen können.«
Im Hintergrund singt wieder Ismael: »Sie fängt die
Kindertränen … und sie läuft im Sonnenschein – eines Tages unter dem Regenbogen
… «
Fütterungszeiten
M eine Schritte
hallen über die stillen Gänge.
Ich habe
alles falsch gemacht.
Trotzdem stehe ich bei Connor wieder auf Anfang.
Er wird keinen Bericht über mich an die Gesi schicken. In diesem Punkt hege ich keinen Zweifel.
Was könnte er auch schon schreiben? Man muss mich
im Auge behalten, weil ich sehr neugierig bin? Oder weil ich an seinem PC
spioniert habe und nun zwei Sucher namentlich kenne? Ihn und Alice. Ich schüttele
unmerklich den Kopf. Wohl kaum – er wird niemandem über mich berichten. Denn er
könnte nichts über mich preisgeben, das ihn nicht selbst belasten würde.
Und das Amulett? Ich glaube, davon weiß er nichts.
Sonst hätte er mich darüber befragt. Das Bild von meiner Mutter muss irgendein
komischer Zufall sein. Schließlich war sie eine gesuchte Rebellin. Auf dem Foto
war sie kaum älter als ich. Und sie sah unglaublich gut aus. Eine Kämpferin in
enger, schwarzer Lackjacke und in einer Lederhose mit silbernen Nieten. Ihr
helles Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten, der ihr bis zu den Kniekehlen
reichte. Connor hat mir gegenüber einmal zugegeben, dass
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