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Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin
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gehen hindurch. Er schließt hinter sich wieder
zu.
    Irgendwie sind wir durch Nebengänge dort
angelangt, wo ich schon einmal unbeabsichtigt stand. Auf der anderen Seite des
langen Ganges kommt uns Kill mit zwei Stahleimern entgegen.
    »Sind darin auch nur Reste?«, frage ich Erikson.
    »Was dachten Sie?« Er nickt.
    »Machen Sie den Job freiwillig oder offiziell?«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Ich glaube schon.«
    »Nein, Mistral. Es macht keinen Unterschied. Nur
die Frage, wie ich meinen Job mache,
ist entscheidend.«
    »Und wie machen
Sie ihn?«
    Er saugt scharf die Luft ein. »Dem General genügt
es, wenn welche von ihnen bis zur nächsten Exekution am Leben bleiben.«
    »Scheiße.« Ich spucke auf den Boden, spucke
Erikson vor die Füße. »Sie elender Feigling. Das hier ist nichts Halbes und
nichts Ganzes. Und Sie wissen das.«
    Kill erreicht uns. Er bemerkt meine Wut und sieht
mich fragend an, aber ich schüttele den Kopf. Wie konnte ich nur derart die
Kontrolle verlieren? Ich kann froh sein, wenn Erikson mich nicht von der
Trainingsliste streicht. So wie ich ihn gerade beschimpft habe. Mich wundert,
dass mein Ausbilder sich nicht mit seiner üblichen, groben Art wehrt.
    Er schweigt und legt den Daumen an den Scanner.
Das blinkende rote Lämpchen schaltet auf Grün um. Langsam, beinahe zögernd
öffnet Erikson.
    Der bereits bekannte infernalische Gestank von
Exkrementen, Blut und … ja, was ist es? Tod? … schlägt mir entgegen. Ich huste
und halte mir die Hand vor den Mund.
    Das Licht flackert abwechselnd weiß und hellblau.
    Ich trete ein. Vor mir erstreckt sich eine hohe
Halle, die nur aus nacktem Beton und etwas Stroh besteht. Die hintere Wand ist
mit zwei Betonwänden abgeteilt. Die Unterkunft erinnert mich daran, wie man
Vieh in Zellen sperrt. Die Trennwände sind nicht sonderlich hoch. Sie reichen
mir bis zu den Schultern. Es gibt auch keine Gatter oder Zäune – der vordere
Teil der Ställe fehlt. Im Gefängnis hinten links hockt ein Greifer. Um seinen
rechten Fußknöchel liegt ein schwarzer Eisenring, daran hängt eine schwere
Kette, die an der Wand befestigt ist. Der Falkgreifer hat die Augen
geschlossen. Sein Gesicht ist eingefallen. Neben ihm befindet sich ein
Dreckhaufen aus Exkrementen und Erbrochenem. Der Vogelmann ist zu schwach, um
auf uns zu reagieren. Sein Atem geht viel zu schnell. Sein Oberkörper bewegt
sich hektisch auf und ab, dann wiederum ist er sekundenlang ganz still. Ich
überwinde meinen Brechreiz und trete vorsichtig näher.
    In der mittleren Zelle hockt eine Frau in der
Ecke; die Zelle rechts außen ist leer. Auch die Greiferfrau ist am Fußgelenk
angekettet. Ihr von Staub, Dreck und Tränen verkrusteter Oberkörper ist nackt.
Hinter ihrem Rücken drängen sich zwei kleine Kinder. Zu meiner Überraschung hat
die Frau noch ihre Flügel, während auch die Kinder verstümmelt wurden.
    »Wieso hat sie nichts an?«
    »Die Männer … haben sie …«
    »Fuck!«, schreie ich und unterbreche Eriksons
Gestammel. Schon wieder habe ich mich nicht im Griff, schon wieder denke ich nicht,
bevor ich rede, blinkt ein Warnlämpchen in meinem Kopf. Trotzdem – ich kann
nicht anders. »Sie hätten ihr was geben können. Irgendeinen Lumpen.«
    »Unsere Hemden und Shirts haben alle ein Emblem.
Es ist unter Todesstrafe verboten …« Erikson blickt mich ratlos an.
    In diesem Moment fällt mir auf, dass ich meinen
Sportlehrer ein zweites Mal ungestraft zurechtgewiesen habe. Spontan beschließe
ich, nach außen stark zu bleiben. So stark wie sonst Erikson. Offenbar kommt er
damit besser klar, als mit ängstlich dreinblickenden Rekruten. Ich recke das
Kinn hoch.
    »Ach ja?«, rufe ich ihm zu. »Dann nehme ich eben
etwas, das kein Emblem hat.« Ich knöpfe mein Hemd auf, ziehe es aus und gehe zu
den beiden Männern zurück. Ich drücke es Kill in die Hand.
    »Was soll das geben?«, fragt Erikson mit warnendem
Tonfall. »Mistral?«
    »Kill, wo ist dein Messer?«
    »Im Stiefel.«
    Ohne die Männer aus den Augen zu lassen, ziehe ich
das Messer heraus. Ich halte es kampfbereit mit dem Knauf nach oben – nicht wie
jemand, der Gemüse schneiden will. Dann streife ich mit der anderen Hand mein
Unterhemd über den Kopf und lege es mir um den Nacken. Ich stehe im Bustier vor
den beiden Männern und ich schäme mich nicht dafür, ich schäme mich für sie.
Wütend stecke ich das Messer zwischen die Zähne, ziehe mein Hemd wieder über
und knöpfe es zu. Schließlich schneide ich das Unterhemd am Rücken

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