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Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin
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irgendwer erfahren, wer ich bin. Das
schwöre ich beim allmächtigen gekreuzigten Gott und bei allen anderen Göttern,
die uns Menschen heilig sind und uns beschützen.
    Becky trommelt draußen gegen die Tür. »Aufmachen!«
    »Wenn du die Tür aufbrichst, kriegst du es mit
Frau Kasten zu tun«, rufe ich ihr zu.
    »Wo hast du mein Medaillon?«
    »Keine Ahnung. Das liegt da irgendwo.«
    »Nein, tut es nicht.«
    »Ich muss duschen. Was interessiert mich das blöde
Teil.«
    Für einen Moment wiege ich das Medaillon in der Hand.
Ich kann es nicht übers Herz bringen, es für immer zu vernichten. Verdammt. Ich
kann es nicht. Es ist ein Teil von mir, egal wie ich darüber denke. Meine
Mutter starb als Rebellin. Aber vielleicht war sie unschuldig, regt sich
gefährliche Hoffnung in mir.
    Hastig reiße ich den Duschvorhang beiseite und
drehe den Brausestrahl auf. Dann schlüpfe ich aus der Kleidung und steige in
die Wanne. Ich lasse das heiße Wasser über meinen müden Körper strömen, bis
meine Haut krebsrot ist und wohltuend meine Angst und Wut dämpft.
    Weiße Nebelschwaden liegen wie Geister in der
Luft. Erschöpft drehe ich den Hahn zu. Jeder Knochen meines Körpers schmerzt. Wie
betäubt lehne ich mich gegen die Kacheln und horche.
    Hinter der Tür ist es still geworden.
    Immer noch halte ich das Amulett in der Hand. Was
soll ich nur machen? Ich muss es verschwinden lassen.
    Ratlos blicke ich mich um. Da kommt mir eine Idee.
Kurzentschlossen schalte ich den Duschstrahl erneut ein. Niemand soll mich
hören. Ich stecke das Medaillon in den Mund, damit ich die Hände freihabe. Dann
drücke ich die Finger an die Wand und die Mauer der Duschkabine. Anschließend
setze ich die Füße gegen die Fliesen. Die nassen Kacheln sind glitschig. Ich
rutsche, lande in der Duschwanne und unterdrücke ein Fluchen. Noch mal!
Schließlich klettere ich doch die Kabinennische hoch.
    Oben presse ich die Füße fest gegen die Kacheln
und schiebe gleichzeitig mit zittrigen Fingern die Abdeckung des Ventilators
beiseite. Der Wasserstrahl wechselt plötzlich von warm auf eiskalt. Holen sie
das Wasser etwa aus einem unterirdischen Eissee? Ich beschließe, mein Zittern
zu ignorieren, und lege das verräterische Schmuckstück in das Lüftungsrohr.
Zuletzt drücke ich die silberne Metallklappe wieder auf das Loch in der Wand
und springe in die Duschwanne.
    Geschafft.
    Wasser aus.
    Wo ist das Handtuch?
    Ich betätige den Abflusshebel für die
Toilettenspülung, lege das Frotteelaken um und klaube meine Kleidung vom Boden
auf. Einmal noch atme ich durch, dann öffne ich die Tür.
    Becky steht mit zerzaustem Haar neben ihrem Bett.
    »Wo hast du es?«
    »Was meinst du?« Ich mime die Gleichgültige, lasse
das Stoffbündel fallen und schiebe es mit dem Fuß in ihre Richtung. »Sieh nach!
Da ist nichts.«
    »Verkauf mich nicht für blöd!«
    »Tue ich nicht.« Schulterzuckend lasse ich das
Handtuch fallen, hebe die Arme und drehe mich einmal im Kreis. »Wie du siehst,
habe ich nichts bei mir, das dir gehört.« Becky stürmt ins Bad. »Wo hast du es
hingetan?«
    »Meinst du dieses hässliche Stück Blech, das hier
irgendwo rumflog?«
    Während ich in frische Unterwäsche schlüpfe, höre
ich Becky schimpfen und an der Klobrille klappern.
    »Da liegst du richtig«, rufe ich. »Wozu
Wasserspülungen nicht alles gut sind.« Ich zwinge mich zu einem diabolischen
Lachen, aber innerlich ist mir zum Heulen zumute. Entsprechend meiner Stimmung
entscheide ich mich doch für Hemd und Hose. Das Kleid bleibt hängen.
    Unendlich traurig und müde schlage ich die
Spindtür zu, hebe die schmutzigen Sachen für die Wäscherei auf und gehe an den
Betten vorbei.
    »Huhu«, zischt Alice, »dann wären ja wohl endlich
die Fronten zwischen euch geklärt.«
    »Ich hoffe.«
    Kiki hält mich am Bein fest. Sie zwinkert. »Schicke
Lippe. Ich bescheuge, dad Becky angefangen hat.«
    »Ich muss noch mal weg.«
    »Wat?«
    »Ich habe noch nichts zum Beißen gehabt und will
zur Kantine.« Schon wieder lüge ich. Bald kenne ich mich selbst nicht mehr.
Innerlich stöhne ich. Zum Essen bleibt nun wirklich keine Zeit. »Keine Sorge,
ihr Lieben, ich erzähle euch nachher, was ich auf dem Feld erlebt habe.
Versprochen.«
    Die beiden nicken und ich verlasse aufatmend den
beschämenden Kampfplatz.

 
    ***
    Auf dem Weg zu Connor gehe ich an der Wäscherei
vorbei und gebe meine Arbeitskleidung ab. Als ich um die Ecke biege, sehe ich
Frau Kasten in ihrem grauen Flauschkostüm vor mir gehen.

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