Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin
Vom Netzwerk:
ins Papier. Dann hebt sie den Kopf.
    »Sie sind geliefert«, schreit sie. »Das kommt Sie
teuer zu stehen.«
    Im selben Moment erscheint hinter ihr mein
Sportlehrer.
    Erikson verzieht keine Miene. Mit einer
schwungvollen Armbewegung nimmt er ihr den Zettel ab und wirft einen kurzen
Blick darauf.
    »Wo haben Sie das Papier gefunden, verehrte
Kollegin?«
    »In einem ihrer Stiefel.«
    »Da lag es vermutlich seit der Exekution auf dem
Dach. Sie erinnern sich sicher. Vor einer Woche rieselten diese Botschaften
zentnerweise aufs Gebäude.«
    Er sieht mich emotionslos an. »War das nicht auch
der Tag, an dem Sie fiebrig zusammengebrochen sind? Mistral?«
    Ich nicke stumm und kämpfe mit den Tränen.
    »Sehen Sie, Frau Kasten, kein Grund zur Aufregung.
Der Schnipsel kann ganz aus Versehen in den Schuh gerutscht sein.«
    Wieder blickt mein Lehrer mich ausdruckslos an.
    »Wer hat Ihnen denn die Stiefel ausgezogen?«
    »Ich erinnere mich nicht. Ich war bewusstlos.«
    »Stimmt«, sagt mein Lehrer. »Da war dieser Fred.
Der hat mir geholfen, Sie aufs Bett zu legen. Und, Frau Kasten, waren Sie nicht
auch anwesend?«
    »Ja, war ich.«
    »Haben Sie dem Mädchen nicht die Stiefel
ausgezogen?«
    »Das weiß ich nicht mehr.«
    »Dann sollten wir die Angelegenheit wohl auf sich
beruhen lassen. Das hier ist nichts weiter als ein Stück Papier. Nicht wahr?
Und wir alle wissen, woher es stammt. Sicher nicht aus der Feder von Frau
Mistral.«
    »Das habe ich auch nicht behauptet.«
    »Gut, dann wäre das ja geklärt. Ansonsten freue
ich mich, dass meine Schülerin wieder gesund ist.« Er grinst für den Bruchteil
einer Sekunde spitzbübisch. »Frau Kasten, nicht nur Sie erhalten die Daten über
die Patienten. Auch ich – und deshalb bin ich hier. Bei dieser Gelegenheit
bitte ich sie, verehrte Frau Kollegin, tragen Sie die Schülerin doch bitte für
die nächsten drei Wochen zum Dauertraining ein, damit sie so schnell wie
möglich wieder fit ist. Wir können es uns nämlich nicht erlauben, auch nur
einen einzigen unserer begnadeten Kämpfer zu verlieren. Wollten Sie noch etwas
sagen, liebe Frau Kasten?«
    Die herzlose Schreckschraube presst die Lippen
zusammen und blickt auf ihr Tablett. »Dann trag ich das mal hier so ein.« Sie
wirft mir einen diabolischen Blick zu. »Und Herr Erikson, nehmen Sie das Gör
tüchtig ran. Diese Mistral hat so etwas Renitentes an sich. Das muss ihr
unbedingt jemand austreiben.«
    Kopfschüttelnd geht die graue Hexe.
    Ich kann es nicht verhindern, dass ich mir in
einer Art Blitzvision ausmale, wie ein Falkgreifer sie bei den Schultern packt
und ihre wattegraue Jacke in Fetzen reißt.
    Ritsch.
    Ratsch.
    »Schachhaaa!«
    Bevor ich mir den Rest vorstelle, wirft Erikson
mich aus meinem Wachtraum.
    »Wir sehen uns in fünf Minuten zur Besprechung in
meinem Büro«, sagt er und zieht ein missmutiges Gesicht.
    »Danke«, sage ich und starre verlegen auf seine
zusammengeschobenen Augenbrauen.
    »Seien Sie verdammt noch mal pünktlich!«
    Er lässt den Zettel aufs Bett fallen. »Und spülen
Sie den Wisch ins Klo!«
    Dann geht er mit langen Schritten, ohne die Tür
hinter sich zu schließen.
    Ich schnappe mir das verdammte Papier und meine
Boots und schließe mich damit im Bad ein. Während ich auf der Klobrille sitzend
in die Stiefel schlüpfe, versuche ich den Zettel zu lesen, den ich auf den
Knien liegen habe. Schließlich gebe ich den Kampf mit den Schnürsenkeln auf und
lese, was in winziger Schönschrift geschrieben steht:

 
    Da zürnt der
Götterbote und flucht:
    Ihr sollt
nicht länger die Herren sein!
    Das Getier,
das vergeblich euer Mitleid sucht’,
    wird nun
teilen euer menschliches Gebein.
    (Joshua F.
Grey, Vers 3.065)

 
    Das Papier ist am oberen und am unteren Ende
abgerissen. Vielleicht gäben die fehlenden Teile mehr Informationen. Verwundert
lese ich den Text erneut. Ich würde gerne verstehen, was dort steht. Wenn ich
die vorhandenen Zeilen richtig interpretiere, sind wir in den Augen der Falkgreifer wohl die Herrschenden ohne
Mitleid.
    Sicherlich waren wir es auch an jenem Morgen. Wir
haben einen Gefangenen bestialisch gefoltert und dann erschossen. Das war
bitteres Unrecht.
    Nachdenklich streiche ich das Papier glatt. Wer
hat das eigentlich geschrieben? Ein Falkgreifer? Wie können sie so etwas? Mit
ihren Krallen können sie – nach allem, was ich weiß – keinen Stift halten.
    Schließlich nehme ich das Papier, zerreiße es in
tausend Fetzen und spüle es in der Toilette fort.
    Es hat mich

Weitere Kostenlose Bücher