Raylan (German Edition)
›Eindringlinge werden strafrechtlich verfolgt oder erschossen.‹
Er würde jetzt im Audi runter auf den Hof fahren. Aber wollte er Bob wirklich am Tisch konfrontieren? Ihm die Gelegenheit bieten, eine Show abzuziehen, während alle Arbeiter zusahen? Raylan konnte Bob schon hören: ›Wovon reden Sie da? Ich soll auf einen alten Mann geschossen haben, der mir Angst gemacht hat?‹ Bob würde sich vor dem Publikum ordentlich aufspielen.
Raylan beschloss, es anders zu versuchen. Er folgte den Serpentinen, bis er unten auf der offenen Wiese herauskam, hielt schräg querfeldein auf Scheune und Campingtische zu – alle Pflücker sahen zu ihm hin –, hob vor Bob Valdez grüßend die Hand und fuhr weiter, um die Scheune herum und hinaus auf die Weide, wo die sauberen weißen Kuhställe in der Sonne leuchteten.
Sie kamen ihm in einem Pick-up hinterhergefahren, Bob saß am Steuer, und hielten direkt neben dem Audi.
Raylan stand ein paar Meter abseits seines Wagens, im Rücken die Wiese, knapp zwanzig Meter entfernt von den zwei Personen, die nun aus dem Pick-up stiegen und auf ihn zukamen, Bob Valdez mit seiner tief um die Hüfte gehängten .44er und ein anderer, ebenfalls ein Mexikaner mit Strohhut, der dicht hinter Bob herging und so entspannt wirkte, als wollte er hier draußen Vögel schießen. Unter dem Arm trug er eine Schrotflinte. Er sah müde aus. Vielleicht war er auch nur bekifft.
Gut zehn Meter vor ihm blieb Bob stehen und grinste Raylan an. »Was auch immer Sie denken. Ich war’s nicht.«
Raylan sagte: »Ich habe Aufnahmen von Ihnen, wie Sie auf Ed McCready schießen.« Raylans durchdringender Blick richtete sich auf den anderen. »Und von Ihnen, wie Sie die Waschbärfalle um Eds Fuß zuschnappen lassen, Loretta hat mit ihrem Handy Fotos davon gemacht. Wer macht denn so was? Ich habe genug, um Sie beide in Handschellen zu legen und einzubuchten.«
Bob sagte: »Ja ...? Wovon sprechen Sie eigentlich?«
»Ich hab’s eilig. Hab auch noch anderes zu tun.«
»Oh«, sagte Bob, »wichtiger als ich, ja?«
»Alles, was ich will«, sagte Raylan, »ist, dass Sie Eds Feld neu bepflanzen und ihm für den Schuss ins Bein und den verletzten Fuß einen Fünfhunderter geben, damit er Loretta nicht an weiße Sklavenhalter verkaufen muss. Außerdem will ich, dass Sie die Hände von ihr lassen. Wenn Sie das machen, sind wir quitt. Wenn nicht, krieg ich Sie für den Schuss auf ihn dran.«
»Wollen Sie mich verarschen?«, sagte Bob. Er klang milde überrascht. »Wir sind zu zweit und Sie alleine. Haben Sie überhaupt eine Waffe dabei?«
»Wissen Sie«, sagte Raylan, »wenn ich die raushole, schieße ich Ihnen durchs Herz, bevor Sie Ihre auch nur entsichert haben. Bei Ihrem Partner warte ich, bis er aufgewacht ist. Wozu haben Sie den überhaupt mitgenommen?« Er sah, wie Bob einen Blick auf den anderen warf. »Der ist bekifft«, sagte Raylan. »Versprechen Sie mir, dass Sie Ed das Geld geben, damit ich zurück an die Arbeit komme. Ich bin hinter einer Frau her, die Nieren klaut und verkauft.«
Bob sagte: »Ach ja? Davon habe ich schon gehört, Organhandel und so. Was bringt eine Niere?«
»Der handelsübliche Preis«, sagte Raylan, »liegt bei ungefähr zehntausend.«
»Könnte ich nicht«, sagte Bob, schüttelte den Kopf und setzte sich den Strohhut wieder auf. »Mann, wer schneidet denn einem anderen den Körper auf?«
»Ich könnt’s auch nicht«, sagte Raylan. »Was für ein Mensch macht so was bloß?«
Er sah, wie Bob die Schultern hob, vielleicht dachte er darüber nach, ob er so was nicht doch machen könnte.
Raylan sagte: »Bob, Sie können nicht einfach so auf einen Menschen schießen und sein Feld verwüsten. Auch dieser Mann muss doch von irgendwas leben.«
Neuntes Kapitel
C uba überlegte angestrengt, wie er die Crowe-Brüder loswerden könnte, ohne hinterher deren Vater am Hals zu haben. Das Hauptproblem war, dass sie jetzt bei ihm wohnten, jedenfalls vermutete Cuba, dass sie zu ihm gezogen waren, im Vertrauen darauf, dass ihr Daddy sie beschützen und vor dem Gefängnis bewahren würde. Wären sie nicht sein eigen Fleisch und Blut, hätte Pervis sie schon vor Jahren gefeuert. Hätte Cuba die beiden Idioten erst mal beseitigt, müsste der Alte ihm eigentlich dankbar sein, dass er diesen Klotz am Bein los war. Aber Pervis würde die Augen zusammenkneifen und schwören, den Täter zu kriegen. Cuba zog in Erwägung, den alten Mann hinterher zu trösten: ›Immerhin müssen sie jetzt nicht mehr ins
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