Raylan (German Edition)
Wahl hattest?«, fragte Art, der alles versuchte, um Raylan klarzumachen, dasser nicht anders hatte handeln können, als die Krankenschwester Layla zu erschießen.
»Ihre Sachen lagen auf dem Bett, sie stand daneben. Ich konnte sie gut erkennen, war aber wacklig auf den Beinen. Sie hatte Make-up aufgetragen, Lippenstift, die Augen geschminkt ...«
Art sagte: »Wüsste nicht, was das für einen Unterschied machen sollte.«
»Sie will mir die Nieren rausnehmen und dabei – keine Ahnung wieso – so gut wie möglich aussehen? Ich bin nackt in der Badewanne aufgewacht.«
»Du bist rausgekrabbelt«, warf Art schnell ein.
»Wozu ich erst Cuba Franks von mir runterkriegen musste. Ich weiß immer noch nicht, warum sie Cuba erschossen hat.«
»Treffen wollte sie eindeutig dich«, sagte Art. »Die Polizei hat die Kugeln sichergestellt, die sie aus deiner Waffe abgegeben hat.«
»Ja, aber ich kann mich trotzdem nicht erinnern, ob sie auf mich geschossen hat, als wir im Schlafzimmer standen.«
»Du hattest ja dann Cubas Waffe, die Sig.«
»Genau. Ich habe ihn von mir runtergestemmt und bin ins Schlafzimmer gegangen. Dort erwartete sie mich dann mit meiner Glock in der Hand. Und hatte einen Kimono an.«
»Daran erinnerst du dich«, sagte Art.
»Das vergesse ich wahrscheinlich nie«, sagte Raylan, »der Kimono stand sperrangelweit offen.«
»Der Polizei hast du erzählt, dass sie deine Waffe mit beiden Händen über den Kopf gehalten hat, während sie dich, wie du angegeben hast, in kokettem Tonfall fragte: ›Möchten Sie mich abtasten?‹«
»Genau das hat sie gesagt«, sagte Raylan, »und ich hab noch geglaubt, sie will sich einen Spaß mit mir erlauben.«
»Bis sie die Pistole auf dich gerichtet hat, deine Pistole«, sagte Art, »und du ihr genau hierhin geschossen hast«, Art fasste sich mittig an die Brust, »mitten in den Solarplexus.«
Raylan schüttelte den Kopf. »Ich habe aber gar nicht gezielt, glaube ich.«
»Du hast reagiert«, sagte Art, »genau so, wie sie’s dir auf der Polizeischule in Glynco beigebracht haben: Will dich irgendein Idiot über den Haufen schießen, schießt du zuerst.«
»Ich kann mir zwar immer noch keinen Reim auf Layla machen«, sagte Raylan, »bin mir aber sicher, dass ich sie nicht als Idiotin bezeichnen würde.«
Art fragte: »Fandest du sie etwa attraktiv?«
»Wenn ich nichts von ihrem Hobby gewusst hätte, hätte ich gerne mehr Zeit mit ihr verbracht.«
»In diesem Fall«, sagte Art, »würdest du jetzt – ich glaube, das habe ich dir schon gesagt – ohne Nieren irgendwo herumliegen.«
»Das wäre mir ja trotzdem fast passiert«, sagte Raylan, »obwohl ich wusste, wer sie war. Ich will sie festnehmen und ende bewusstlos in der Badewanne. Dir ist klar, dass es reiner Zufall war, dass ich überhaupt aufgewacht bin?«
»Aber wirklich überraschen tut’s dich auch nicht«, sagte Art. »Du bist das Gesetz, du gehst davon aus, dass sich das Leben nach dir richtet. Du bist ein altgedienter Marshal, der einem Typen, den er nicht leiden kann, schon mal befiehlt, bei Sonnenuntergang aus Dodge City verschwunden zu sein.«
Raylan grinste. »Du meinst diesen Mafioso, diesen Zip.«
»Fandest du das damals etwa lustig?«
»Hätte ich ihm sagen sollen, bis Sonnenuntergang verschwindest du aus Miami Beach? Ist was anderes, wenn ich sage, verschwinde aus Dodge. Ich habe dem Zip einen ganzenTag Zeit gegeben«, sagte Raylan, »um zu packen und loszufahren. Am nächsten Tag sehe ich ihn bei Cardozo Krabbenkuchen essen, von den vierundzwanzig Stunden bleiben noch ein paar Minuten, mir ist also klar, dass er bewaffnet ist. Das ist schließlich sein Job, er wurde extra aus Sizilien eingeflogen, um jemanden zu erschießen, und ist dann geblieben. Hat sich erst mal einen Zweireiher mit Nadelstreifen gekauft, so einen wie Joseph Colombo ... Wusstest du das?«
»Er hat zur Waffe gegriffen«, sagte Art, »und du hast es auf dich genommen, ihn zu erschießen, weswegen du zurückversetzt worden bist in deine alte Heimat Kentucky, wahrscheinlich lebenslänglich.«
»Ja, aber jetzt, nachdem ich sieben Jahre lang nicht vorangekommen bin«, sagte Raylan, »bin ich gleich zwei Dienstgrade nach oben befördert worden. Ich glaube, jemand in den oberen Etagen fand’s gut, dass ich die Zip-Akte geschlossen habe.«
Fünfzehntes Kapitel
O tis kam aus seinem Haus und ging quer über den Hof auf Boyd Crowder und irgendeinen Anzugträger zu, die seinen Fischteich betrachteten: Der Wasserspiegel im
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