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Raylan (German Edition)

Raylan (German Edition)

Titel: Raylan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmore Leonard
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sagte Mr. Gracie, »besorge ich mir jemanden, der das kann.«
    »Sie wollen, dass ich ihn umbringe«, sagte Boyd, »nur, weil er Sie in den Schlamm gestoßen hat?«
    »Ich habe gesagt: Zerstören Sie sein Haus«, korrigierte ihn Mr. Gracie. »Wenn Sie nicht weiter im Bereich der Konfliktlösung beschäftigt sein wollen«, sagte der unsympathischste Mensch, der Boyd je begegnet war, »können Sie sofort gehen.«
    »Hab nur Spaß gemacht«, sagte Boyd. »Mir die Beschwerden der Leute anzuhören, macht mir nichts aus. Alle wissen, dass sie niemals kriegen, was sie sich wünschen. Also machen sie ihrem Ärger Luft, um wenigstens das Gefühl zu bekommen, bis zum Letzten gekämpft zu haben.«
    Mr. Gracie wies Boyd an, den Fahrersitz seines Wagens mit Zeitungspapier auszulegen, stieg in seinen Schlammgestank gehüllt ein und fuhr nach Hause.
    Boyd machte »Bah« und betrat das Büro, einen großen Wohnwagen voller Schreibtische und Reißbretter. Alkohol auf dem Betriebsgelände war verboten, es gab daher nur einen Viertelliter billigen Wodkas in einer Schreibtischschublade. Keine nackten Mädchen auf dem Kalender, nichts, weswegen man hier gerne arbeiten wollte.
    Das war, bevor Otis den Berg hochkam.
    Jetzt aber strichen Scheinwerfer über den Wohnwagen und eine schwarze Stretchlimousine hielt neben dem Büro. Boyd sah, dass eine Frau ausstieg, ging zur Tür und öffnete. Er beobachtete, wie sie ein paar Worte zu ihrem Fahrer sagte und die Limo wieder abfuhr. Als sie sich im Licht, das aus der Tür des Wohnwagens fiel, umwandte, erkannte Boyd Carol Conlan, die Frau, die immer dann in der Zeitung oder im Fernsehen auftauchte, wenn der Kohlekonzern etwas zu verkünden hatte. Oh Gott, jetzt betrat Carol Conlan tatsächlich das Büro und lächelte ihn an: »Sie sind Boyd, oder? Der, der den Felsen auf das Haus dieses Typen hat fallen lassen.«
    Woher wusste sie das denn schon? Boyd setzte zu einer Frage an, aber Carol Conlan sprach bereits in ihr Handy, sagte zu jemandem: »Das will ich gar nicht hören, Bob. Fangen Sie noch mal von vorne an und erstatten Sie mir Bericht, aber diesmal einen, den ich hören will, okay?« Dann sagte sie, »ich muss aufs Klo«, und legte das Telefon weg.
    An Boyd gerichtet fragte sie: »Wo?« Boyd wies ihr den Weg und sah, wie sie hineinging und beim Hinsetzen den Rock hochraffte – die Tür hatte sie offen stehen lassen. Mannomann, Carol Conlan.
    Sie sagte: »Das mit dem Haus haben Sie gut gemacht.«
    »Ich habe nur einen einzigen Versuch gebraucht«, sagte Boyd. Er nahm ihr Handy vom Schreibtisch und schnupperte daran, vielleicht roch es ja nach ihr.
    »Ziemlich cool«, sagte Carol, »einfach einmal die Schaufel kippen, und schon ist das gesamte Haus ausradiert. Was wird der Besitzer dagegen unternehmen?«
    »Otis? Gar nichts«, sagte Boyd, »der ist ein alter Mann.«
    »Nennen Sie Gracie, diese Irenschwuchtel, eigentlich immer Mister?«
    »Hat er so angeordnet«, sagte Boyd.
    »Er ist deutlich zu weit gegangen«, sagte Carol. »Zerstört das Haus, obwohl wir bald eine öffentliche Anhörung haben.«
    Boyd hörte die Klospülung. Carol kam heraus und rückte sich den Rock zurecht. Sie sagte: »Jetzt sind wir die Bösen. Es klingt, als ob dieser Teich ganz hübsch war, bevor wir ihn versaut haben.« Und dann: »Ich habe Gracie noch nie besonders gemocht. Ich werde eure Positionen tauschen und Sie zum Chef machen. Gibt’s hier was zu trinken?«
    »Einen Viertelliter Wodka und verschiedene Sorten Wasser«, sagte Boyd und sah, wie die attraktive, für Konflikte zuständige Geschäftsfrau das Gesicht verzog und zum Telefon griff.
    »Ich rufe Brian an, damit er uns eine Flasche Scotch bringt. Ich hasse Wodka.«
    Der Black Mountain war mit alten Kiefern und Pappeln bewaldet, in der Nähe des Gipfels hatte Otis mal einen Elch geschossen: Er hatte plötzlich so nah vor dem Tier gestanden, dass beide vor Schreck einen Satz machten, als sie einander sahen. Otis hatte den Elch mit einem einzigen Schuss erlegt und ihn ausbluten lassen, und sie hatten den ganzen Winter über Fleisch gehabt. Diesmal folgte er den Haarnadelkurven hinauf zu dem, was vom Bergkamm Looney Ridge übrig geblieben war: Seine Flanke war in Terrassen zerschnitten. Sie bohrten direkt über den Kohleflözen Löcher und sprengten den Fels, um die Kohle herauszukriegen. Otis’ Haus lag zwar einige hundert Meter hangabwärts, wurde aber trotzdem bei jeder Sprengung derart erschüttert, dass die Fotos von seinem Vater und Marions Familie

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