Readwulf
entgegnete ihm halbherzig: »Versprochen!«
»Jules, ich bin nicht der, für den du mich hältst. Also nicht nur. Wir sind uns nicht zufällig begegnet. Ich hatte den Auftrag dich auszuschalten. Aber du warst die Erste, bei der ich Zweifel bekam.«
Ich schluckte sichtbar schwer und schaute ihn nur ungläubig an.
»Ich bin nicht stolz auf mein Dasein. Ich war eine Marionette, die Befehle entgegen nahm und blind gehorchte. Ich war einfach nur gut in dem was ich tat! Aber als du ...«, er holte tief Luft »... du hast mein Leben verändert. Durch dich fühle ich etwas!«
»Marionette, Befehle, Auftrag?«, wiederholte ich und starrte weiter auf seinen Mund.
»Bitte, ich weiß, das ist alles schwer zu verstehen. Ich werde dir all deine Fragen beantworten, aber du musst mir jetzt vertrauen. Du bist noch immer in großer Gefahr und ich … ich kann dich nicht verlieren.«
»Vertrauen? Read«
Er nahm meine Hand, die sich zwischenzeitlich am Teller festgekrallt hatte. »Jules, vertraust du mir?« Abschätzend schaute er in mein Gesicht. Er wiederholte sich eindringlicher: »Jules, vertraust du mir?«
So seltsam es war, aber das tat ich. Ich vertraute ihm! All die Fragen die ich im Kopf hatte und auf die ich keine passende Antwort wusste, aber diese war `JA´. Ich nickte.
Er küsste sanft meinen Handrücken. Instinktiv riss ich mich los: »Vertrauen ja, aber verstehen kann ich das alles trotzdem nicht.«
Ich atmete tief durch und versuchte mich zu sammeln, dann fragte ich mit rauer Stimme: »Was hast du jetzt vor?«
»Wir müssen Manon aufsuchen, ich brauche ein paar Antworten von ihr. Wirst du das schaffen?«
Ich nickte erneut und nahm meinen Kaffee in einem Zug, als wenn er ein Glas Whisky wäre.
»OK, lass uns gleich fahren, bevor ich zur Besinnung komme«, erklärte ich und stand dabei ruckartig vom Stuhl auf.
Die Autofahrt verlief größten Teils schweigend und zog sich dadurch unerträglich in die Länge. Dieses Stillsitzen belastete mich zusätzlich. Am liebsten wäre ich für Stunden im Wald verschwunden. Laufen, Rennen, Springen bis es fast keine Luft mehr in meinen Lungen gab und mein Kopf sich einfach nur leer anfühlte.
Ein Knopf zum Abschalten wäre praktisch , dachte ich, während ich die wunderschöne Natur nicht im Ansatz wahrnahm. Berge, Täler, ganze Ortschaften zogen wie im Flug an meinem Fenster vorüber. Leuchtende lila Lavendelfelder, die mich im Normalfall zu Begeisterungsstürmen hingerissen hätten, erreichten mich nicht. Dabei hatte gerade dieser Teil Frankreichs so viel sehenswertes zu bieten. Einfach so hindurch zu fahren, ohne einmal anzuhalten und diese Pracht auf sich wirken zu lassen, war fast schon ein Verbrechen. Ich jedoch, war vollkommen mit mir selbst beschäftigt.
Read hatte sich einfach so in mein Leben und mein Herz geschlichen, ohne dass ich wusste woher er kam und wer er eigentlich war. Spielt das eine Rolle? Was spielt denn überhaupt noch eine Rolle? Ich war wirklich nicht in der Lage, den Sinn des Lebens richtig zu erfassen. Ob jeder Mensch in seinem Dasein einmal an diesem Punkt ankommt? Bestimmt nicht! Hat ja nicht jeder mit Auftragskillern und Übermenschlichem zu tun. Blöde Frage auch!
Aber wieso waren meine Gefühle nach diesem Geständnis noch immer ungetrübt? Macht Liebe wirklich blind? Gott, Jules! Hör auf, hör auf … hör endlich auf damit , kreischte ich innerlich und atmete äußerlich tief durch.
»Woran denkst du gerade?«, fragte Read.
»Ach nichts. Ich versuche, an nichts zu denken«, antwortete ich unterkühlt und das war wenigstens im Ansatz die Wahrheit.
»Wir sind gleich da. Willst du im Auto bleiben?«
»Nein.«
Diese Antwort kam geschossen und war eine reine Bauchentscheidung. Wir bogen in eine kleine Seitenstraße ein, welche in einer herrschaftlichen Einfahrt endete. Mir fehlte der Sinn dafür, die Schönheit auch dieses Fleckchens Erde zu erfassen.
Wie benommen folgte ich ihm an die rustikale Tür des gewaltigen Anwesens. Mein Blick blieb starr und ausdruckslos. Man hätte den Eindruck gewinnen können, dass ich mich hinter Readwulf verstecken würde, als er den Türklopfer betätigte. Ein Mann öffnete kurz darauf die schwere Tür und fragte: »Sie wünschen Monsieur?«
»Madame Manon Mirabeau, bitte. Ist sie zusprechen?«, antwortete Readwulf förmlich.
»Ich bin Manon Mirabeau«, erklang plötzlich eine Frauenstimme direkt hinter mir. Ich hatte sie vorher nicht bemerkt und so zuckte ich zusammen und fuhr herum. Eine hübsche
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