Readwulf
Frau, Mitte vierzig, schaute mich fragend an. Ihre grünen Augen kamen mir vertraut vor. Ich brachte kein Wort heraus.
Sie wiederholte sich: »Ich bin Manon. Was kann ich für sie tun?«
»Mein Name ist Readwulf und diese junge Dame hier ist Miss Juliette Pickering.«
»Pickering?«, fragte die Frau, deren gesunde Gesichtsfarbe zusehend verblasste.
»Manon, alles in Ordnung?«, warf der Mann in der Tür ein.
»Ich glaube schon. Ich kenne die Herrschaften. Sie haben Wein bei mir bestellt«, log die Dame, doch ihre Gesichtsfarbe kehrte nicht zurück.
Manon schaute über meinen Kopf hinweg und richtete das Wort an Readwulf: »Kommen sie herein, ich setzte uns schnell einen frischen Kaffee auf.« Sie versuchte zu lächeln.
Ich wich ihr aus und wir folgten ihr ins Haus. Das also soll meine Mutter sein? Sie sieht mir nicht mal ähnlich. Noch immer hatte sich kein einziges Gefühl in mir entwickelt. Mein Blick folgte jeder ihrer Bewegungen. Sie schien etwas ungeschickt im Umgang mit der Kaffeemaschine zu sein. Ihre Hand zitterte leicht, als sie das Wasser einfüllte. All dies tat sie schweigend, während wir uns, auf ihre Andeutung hin, um den Küchentisch platzierten. Die Mitte des massiven Möbelstücks verzierte ein eingeschnitztes Blumenmuster.
Ihr Mann war uns nicht in die Küche gefolgt. Er ließ sich mit dieser offensichtlichen Lüge abspeisen und ging wohl wieder seiner täglichen Arbeit nach.
Manon unterbrach das Schweigen: »Wie haben sie mich gefunden? Ich meine, ich habe gehofft, dass dieser Tag nie kommen würde. Sind sie es wirklich, meine Juliette?« Sie schaute dabei nicht auf und drückte den Schalter der Maschine.
Das war zu viel für mich: Meine Juliette , hallte es in meinen Ohren. Hier sitzen und nichts empfinden war eine Sache, aber direkt angesprochen zu werden und sich mit dieser Frau auseinander setzen zu müssen, eine ganz andere. In Gedanken wiederholte ich zynisch ihre Worte: ` Ich habe gehofft, dass dieser Tag nie kommen würde.´ Was soll das bedeuten? Und plötzlich regte sich doch ein Gefühl in mir: Wut!
Ich sprang auf und rannte aus dem Raum. Gerade noch rechtzeitig, denn meine Augen brannten schon wieder. Immer weiter trieb mich mein Frust von der Küche weg. Ich bog rechts und links ab. Ein paar Treppen lief ich hinunter und ließ mich schließlich am Absatz des Weinkellers nieder. Hier war es so still und dunkel und es roch nach alter abgestandener Luft. Genauso fühlte ich mich gerade: Alt, abgestanden, still und finster sah es in mir aus.
»Am Besten ich vergrab mich gleich hier«, murmelte ich und starrte weiter in die Dunkelheit.
Nur Zehntelsekunden später schlug ich wild um mich. Jemand stand hinter mir und würgte mich. Sein Griff war stark und ließ mir keine Chance zu entkommen. Dieser Feigling hatte mich im Sitzen hinterrücks attackiert und drückte mich jetzt noch fester zu Boden. Ich war unfähig mich zu befreien und mein Atem fand röchelnd seinen Weg aus meinen Lungen.
Plötzlich ein Knurren. Ein riesiger Hund tauchte neben mir auf der Treppe auf. Er wirkte auf mich nicht gefährlich, obwohl er wie tollwütig die schneeweißen Zähne fletschte und in Angriffsstellung ging. Meine Augenlider flatterten auf und ab.
Der Mann lockerte ganz kurz seinen Griff. Er schien auf den Hund zu reagieren. Ich irrte jedoch, denn im nächsten Moment verspürte ich einen stechenden Schmerz am Hals. Augenblicklich zog sich meine Kehle noch enger zusammen. Die Atemnot verstärkte sich durch meine aufkommende Panik. Mein Herz sprang mir fast aus der Brust.
»Hil ...«, brachte ich noch heraus, dann wurde mir schwarz vor Augen und ich sackte zusammen.
»Sie ist hier. Hier her! Aus Poltron, aus jetzt!«, hörte ich in der Ferne. Mein Körper brannte wie Feuer. Mein Kopf dröhnte. Meine Ohren schmerzten und meine Augen wurden geblendet von grellem Licht.
Ich griff mir an den Hals, da wo der Schmerz am größten war und rieb wie automatisch an dieser Stelle.
»Was hast du da?«, fragte jemand, aber durch das Dröhnen und den ewigen Hall konnte ich nicht erfassen, wer das von sich gab. Eine Hand umfasste meine, diese Berührung war unerträglich.
»Ahhh, nicht«, stieß ich schreiend aus und zog meine Hand schützend an mich.
»Was hat sie denn? Kann ich irgendetwas tun?«, fragte eine Frauenstimme.
»Ich glaube man hat ihr etwas gespritzt. So lange wir nicht wissen was, können wir nicht viel tun«, erwiderte ein Mann.
»Sie muss ins Krankenhaus.«
»Das geht nicht Claude.
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