Readwulf
Wir müssen ihr hier helfen. Bitte, ich erkläre es dir später. Holst du kaltes Wasser und Tücher? Bitte.«
»Ihr Körper brennt förmlich. Eis, wir brauchen ...«
Danach verstummte alles um mich herum, auch die Schmerzen ließen nach.
Ich hatte kein Zeitgefühl mehr. Als ich wach wurde und blinzelnd die Augen öffnete, blicke ich in Readwulfs verschwommenes Gesicht. Ich fühlte seine Berührung auf meinem Handrücken und versuchte etwas zu sagen. Mein Mund war staubtrocken, genau wie meine Kehle. Ich musste husten.
»Jules! Oh, Jules. Gott sei Dank« Sein Gesicht wurde klarer. »Ich dachte schon du schaffst es nicht.« Er klang glücklich und verzweifelt zu gleich. Ich hatte wohl ein ganze Weile geschlafen.
»Ein Glas Wasser wäre toll?«, räusperte ich mich. Mit der Hand fühlte er an meiner Strin.
»Was … was ist denn passiert?«
»Hu, ist das kalt hier.«
Er lächelte.
»Was mach ich in der Badewanne? Wieso Eis?«, schnalzte ich sichtlich schneller zu mir kommend.
Er lächelte breiter und griff nach meinem Oberarm. Ich schielte an mir herunter: Ein Slip, kein T-Shirt? Ich hoffe, ich träume noch.
Er hüllte mich in einen flauschigen Bademantel und trug mich ins Nebenzimmer. Behutsam legte er mich auf dem Bett ab.
»Zeig mal her«, forderte er mit ausgestreckter Hand. Das digitale Fieberthermometer fuhr langsam über meine Stirn.
»Perfekte 42 Grad.«
»Wie immer, oder?«
»Nicht ganz meine Liebe. Du hattest die halbe Nacht erheblich mehr Temperatur. Ich hatte wirklich Angst dich zu verlieren.«
Augenblicklich durchfuhren mich Erinnerungsfetzen. Wie bewegliche Bilder flimmerten sie vor meinem inneren Auge auf.
»Mich hat jemand angegriffen. Im Keller. Da war ein Hund!« Ich rieb mir unbewusst über die Einstichstelle an meinem Hals.
»Man hat dir etwas gespritzt. Ein Gift vermute ich! Ich weiß nur leider nicht welches und zu welchem Zweck. Tödlich war es jedenfalls nicht.« Er nickte mir erleichtert zu.
»Was ist das für ein Kratzen?«, bemerkte ich und richtete den Blick zur Tür. Diese sprang kurz darauf auf. Mit Carraro und wehenden Lefzen kam ein gewaltiger Hund auf das Bett zu gestürmt.
»Poltron, Platz«, reagierte Read energisch und der Hüne stoppte ab. Er legte sich geräuschvoll neben dem Bett nieder. Seine Schnauze hob er mir bemüht entgegen. Ich streckte die Hand nach ihm aus und wurde zum Dank besabbert.
»Ruh dich jetzt aus. Poltron wird auf dich aufpassen«, erklärte Read, als er mir nochmals fürsorglich die Bettdecke zurecht zupfte und dann den Raum verließ.
»Du bist also der Hasenfuß hier im Haus. Wer hat dir nur diesen Namen verpasst? Du bist doch viel eher ein mächtiger Tiger, du Lieber, duu.« Ich kraulte den Braunen unterm Kinn. Sein Speichelfluss war ebenso gewaltig, wie sein Kopf. Er bellte einmal auf und legte dann winselnd seinen Kopf auf die Pfoten.
»Jetzt sprech ich schon mit Hunden.« Ich zog die Bettdecke über den Kopf entschied mich lieber fürs Schäfchenzählen, als Hundebeschwören.
***
Seit Readwulf ihr gestern Nacht von Manon erzählt hatte, beschäftigte ihn nur eine Frage: Wie bringe ich ihr den Rest bei?
Sein Schweigen brachte ihn in diese verzwickte Lage, seine Beichte würde sie aus den Sandalen kippen. Dessen war sich Read sicher. Inzwischen wusste er, seine Jules ganz gut einzuschätzen. Auch hatte er Sorge, nicht die richtigen Worte zu finden. Diese Art von Geständnissen hatten in seinem Leben bisher keinen Platz. Niemand verlangte oder erwartet dies von ihm. Er war der Auserwählte, der mit der Lizenz für einfach alles . Seine Handlungen und Taten wurden nicht in Frage gestellt. Und genau das tat er jetzt selbst zum ersten Mal. In den letzten Tagen ganz besonders. Ihm schien sein Dasein plötzlich so falsch, so naiv. Wieso war ihm nur alles egal gewesen. Nie gab es die Frage nach dem Warum, jedenfalls nicht vor seinem Auftrag `Juliette Pickering´ das Leben auszuhauchen.
Er schüttelte den Kopf. So vieles war ihm noch unklar: Welche Rolle spielte z.B. Darius in diesem makaberen Spiel. Er verspürte das erste Mal Bedauern. Und Mitgefühl! Mitgefühl für all seine Opfer, deren Familien: Frauen und Kinder. Dieses Gefühl kannte er vor Juliette einfach nicht. Seine Zielpersonen waren für ihn schuldig. Er fragte nicht an welchem Verbrechen. Er nahm es als gegeben hin. Bestimmt hatte der ein oder andere Kandidat sogar selbst Blut an seinen Händen, aber einen Mord rechtfertigte diese Tatsache jetzt nicht mehr.
»Gleiches mit
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