Readwulf
Gleichem vergelten, du bist auch nicht besser. Mord bleibt Mord! Du bist nur verdammter Abschaum«, wiederholte er bitter, als er sich im Spiegel betrachtete. Gequält von diesen Gedanken zog er sich weiter an und suchte noch immer nach den passenden Worten für Juliette.
Als das Schweigen beim Frühstücken gebrochen wurde und er auf direktem Weg die Flucht nach vorn antrat, ging es ihm besser. Readwulf fühlte sich erleichtert. Der Druck flaute ab und er war sehr überrascht, wie gefasst sie reagiert hatte. Juliette machte ihm keine Vorwürfe. Woher nahm sie nur die Kraft dafür, wo er sich selbst nicht verzeihen konnte.
Während der Fahrt zum Weingut musste er sie immerzu anschauen. Er hätte wahrscheinlich umgekehrt nicht so souverän mit der Situation umgehen können. Diese junge Frau verblüffte ihn immer wieder. Jedoch ihre Stille bereitete ihm Kopfzerbrechen.
Seine Sorge, die Konfrontation mit Manon würde sie überfordern, belastete ihn schwer. Sein Beschützerinstinkt verstärkte sich mit jedem gefahrenen Kilometer, ebenso wie sein schlechtes Gewissen.
»Willst du im Auto bleiben?«, fragte er daher, als sie ihr Fahrtziel erreichten. Natürlich wollte sie das nicht, aber einen Versuch war es Wert. Wenigstens stellte sich Jules schutzsuchend hinter ihn, damit fühlte er sich nicht ganz so unterlegen.
Manon tauchte nur Sekunden später hinterrücks auf. Jules stand ihr versteinert gegenüber. Readwulf bemühte sich Abstand zwischen die beiden Frauen zu bringen und lenkte das Gespräch auf sich. Manon spielte glücklicher Weise mit und bat ihre Gäste auf einen Kaffee herein.
Das seltsame Gefühl in der Magengegend meldete sich erneut. Vielleicht war diese Frau auch seine leibliche Mutter. Sein Herz pochte schneller, doch er verbarg seine innere Anspannung. Jules war jetzt wichtiger. Er setze sich an den Küchentisch.
Die angespannte Stimmung füllte den Raum und seine Liebste sah inzwischen kreidebleich aus. Sie tat ihm so leid und er wusste nicht, wie er ihr diese Last nehmen hätte können.
Auch Manon wirkte aufgewühlt. Ihr Herz schlug in hohem Tempo. Ihre Stimme zitterte ebenso merklich, wie Ihre Hand beim Eingießen des Wassers in den Kaffeeautomaten. Readwulf wollte noch nach Juliettes Hand greifen, als Manons erste Worte sie in die Flucht schlugen.
Read sprang auf. Manon hielt ihn zurück: »Lassen sie sie! Geben sie ihr ein paar Minuten.«
»Sie haben Recht«, antwortete Readwulf und ließ sich resignierend auf den Stuhl nieder.
»Ich hätte sie nicht her bringen sollen.«
»Sie werden ihre Gründe gehabt haben, oder nicht?«
»Durchaus und wie sie sich schon denken können, sind diese weniger erfreulich.« Jetzt blickte er ihr direkt ins Gesicht: »Ich brauche einige Antworten von ihnen«, setzte er fordernd nach.
»Das kommt ganz auf ihre Fragen an«, entgegnete Manon noch unerschrocken.
»Für Spielchen fehlt uns die Zeit« Seine Stimme wurde tiefer.
Was bildete diese Frau sich ein. Readwulf schüttelte den Kopf und zog die Brauen enger zusammen: »Wer ist Juliettes Vater? Und wieso diese Adoption?«
Manon schluckte schwer.
»Antworten sie! Ich merke doch, das Jules ihnen nicht egal ist und wohl auch nie war.«
»Ja, es stimmt! Ich sah einfach keinen anderen Ausweg«, stotterte Manon.
»Ausweg? Wofür?«
»Glauben sie mir doch bitte. Je weniger sie darüber wissen, umso sicherer ist es für sie. Bitte drängen sie mich nicht weiter. Die Wahrheit ist schwer zu verstehen und noch viel schwerer zu ertragen«, antwortete Manon. Ihre Stimme klang gequält.
»Gewiss«, entgegnete Readwulf verächtlich und fügte mit Nachdruck hinzu: »Manon, sie wird bereits verfolgt! Verstehen sie jetzt?«
»Gott, nein.« Manons Blick trübte sich und ihre Stirn wurde faltiger. »Das darf nicht sein! Dann weiß er, das ich ihn belogen habe.«
»Von wem sprechen sie? Sie wissen wer uns verfolgt? Um Himmelswillen reden sie doch ...« Ein Schrei und lautes Hundebellen unterbrach seine Fragestellung. Readwulf hörte Juliette in der Ferne und sprang augenblicklich auf.
»Wo wollen sie hin? Hey«, rief ihm Manon irritiert hinterher.
Pfeilschnell folgte Read Juliettes Spur in den Keller. Sie lag reglos am Treppenabsatz. Ein riesiger Hund bellte in die Dunkelheit des Weinkellers. Er bewegte sich keinen Millimeter von der ohnmächtigen Frau weg.
»Jemand war hier. Ich erkenne den Gestank. Dieser widerliche Schleimer! Ich wusste doch, dass mit dem etwas nicht stimmt«, brüllte Read, als er die stark
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