Rebecca
einmal. «Es ist zwar nur synthetischer Mut, aber manchmal wirkt’s doch Wunder.»
«Nein, danke», sagte ich. «Ich möchte gar nichts.»
«Ich muß jetzt hinuntergehen; Giles sagte ja, sie warten schon mit dem Essen. Bist du sicher, daß ich nichts für dich tun kann?»
«Ja, du brauchst keine Sorge zu haben, Beatrice, und ich dank dir auch schön.»
«Meine Liebe, du brauchst mir nicht zu danken. Ich wünschte, ich könnte irgend etwas für dich tun.» Sie trat vor meinen Spiegel und puderte sich rasch das Gesicht. «Himmel, wie ich aussehe!» sagte sie, «dieser verfluchte Schleier sitzt schon ganz schief, aber das läßt sich jetzt nicht mehr ändern.» Sie ging klirrend aus dem Zimmer und schloß die Tür hinter sich. Ich fühlte, daß ich mir durch meine Weigerung, hinunterzugehen, ihre Sympathie verscherzt hatte. Ich hatte die weiße Fahne aufgezogen, das konnte sie nicht verstehen. Sie gehörte einem anderen Menschenschlag, einer anderen Rasse an. Die Frauen ihrer Rasse hielten jeder Prüfung auf Herz und Nieren stand; ich glich ihnen nicht. Wenn Beatrice an meiner Stelle gewesen wäre, hätte sie sich umgezogen und wäre hinuntergegangen, um ihre Gäste zu begrüßen. Sie hätte lächelnd neben Giles gestanden und ein paar freundliche Worte mit den Ankommenden gewechselt. Das brachte ich nicht fertig. Ich besaß nicht den Stolz dazu; ich hatte keine Haltung, ich war aus einem anderen Holz geschnitzt.
Ich sah immer noch Maxims glühende Augen in seinem weißen Gesicht und hinter ihm Giles und Beatrice und Frank, wie sie mich entgeistert anstarrten.
Ich erhob mich von meinem Bett und trat ans Fenster. Die Gärtner prüften gerade die Lampen im Rosengarten, um sich zu vergewissern, daß alle brannten. Ein paar lachsfarbene Wölkchen segelten im Westen über den fahlen Himmel. Sobald es dunkel wurde, sollten die Lampen angezündet werden. Im Garten waren Tische und Stühle aufgestellt, falls jemand draußen sitzen wollte. Ich konnte den Duft der Rosen vom Fenster aus riechen. Die Männer lachten und schwatzten miteinander. «Die hier ist durch-gebrannt», hörte ich eine Stimme rufen,
«kannst du mir eine Ersatzbirne bringen? Eine von den kleinen blauen, Bill.» Er schraubte die Birne ein und befestigte die Lampe an ihrem Platz. Zufrieden pfiff er eine Schlagermelodie vor sich hin, und ich dachte, daß die Kapelle auf der Galerie heute nacht dieselbe Melodie spielen würde. «So, das hätten wir», sagte der Mann und ließ das Licht an-und ausgehen.
«Hier ist jetzt alles in Ordnung. Wir wollen uns jetzt mal auf der Terrasse umsehen.» Sie verschwanden pfeifend um die Hausecke.
Ich starrte eine leere Bank an. Die rosa Wölkchen waren grau geworden. Über mir funkelte der Abendstern. Im Wald jenseits des Rosengartens ertönte das letzte schläfrige Zwitschern der Vögel. Eine einsame Möwe flog über den Horizont. Ich wandte mich um und ging wieder zum Bett zurück. Ich hob das weiße Kostüm vom Boden auf und legte es in den Karton mit dem Seidenpapier. Auch die Perücke tat ich wieder in ihre Schachtel. Dann suchte ich in meinem Schrank nach dem kleinen Reisebügeleisen, mit dem ich in Monte Carlo immer die Kleider von Mrs. Van Hopper gebügelt hatte. Es lag hinten in einer Schublade zwischen ein paar Pullovern, die ich lange Zeit nicht getragen hatte. Das Eisen war ein Allstrominstrument, und ich steckte den Stecker in die Steckdose und fing an, das blaue Kleid aufzubügeln, langsam und mit pedantischer Sorgfalt, so wie ich Mrs. Van Hoppers Sachen in Monte Carlo zu bügeln pflegte.
Als ich fertig war, legte ich das Kleid aufs Bett. Dann wischte ich die Schminke ab, die ich für das Kostüm hatte auflegen müssen. Ich kämmte mir das Haar, wusch mir die Hände und zog das blaue Kleid und die dazugehörigen Schuhe an. Ich kam mir wieder so wie damals vor, wenn ich mit Mrs. Van Hopper in das Gesellschaftszimmer des Hotels hinunterging. Ich öffnete die Tür und ging den Korridor entlang. Kein Laut war zu hören. Man hätte glauben können, daß kein Mensch im Haus war. Ich ging auf Zehenspitzen bis zum Ende des Korridors. Die Tür zum Westflügel war geschlossen. Als ich durch die Galerie zur Treppe schritt, vernahm ich ein leises Stimmengewirr aus dem Eßzimmer. Man saß also noch bei Tisch. Die große Halle lag verlassen da. Auch die Galerie war leer; die Musiker aßen wohl auch gerade. Ich hatte keine Ahnung, wie für sie gesorgt wurde. Frank hatte das angeordnet –
Frank oder Mrs. Danvers.
Von
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