Rebecca
Puffärmel, die breite Schärpe, die Bänder, der breitrandige, weiche Hut. Und meine Locken umrahmten mein Gesicht ebenso wie die gemalten Locken das Gesicht auf dem Bild. Ich hatte mich noch nie in einer so stolzen und glücklichen Erregung befunden. Ich winkte dem Geiger zu und legte dann warnend den Finger auf den Mund.
Er lächelte, verneigte sich und kam lautlos auf mich zu.
«Sagen Sie dem Trommler, daß er mich ankündigen soll», flüsterte ich, «wissen Sie, mit einem Trommelwirbel, und dann muß er ‹Miss Caroline de Winter› rufen. Ich möchte die da unten gern überraschen.» Er nickte; er hatte verstanden. Mein Herz klopfte zum Zerspringen, und meine Wangen glühten. Was für ein Spaß! Was für ein himmlischer, kindischer Riesenspaß! Ich lächelte Clarice zu, die noch hinter mir kauerte, und hob mit beiden Händen den Rock etwas hoch. Dann erfüllte der Trommelwirbel die große Halle und ließ mich einen Augenblick zusammen-fahren. Die Gesichter unten in der Halle wandten sich erstaunt und fragend nach oben.
«Miss Caroline de Winter!» rief der Trommler mit lauter Stimme.
Ich trat auf die oberste Treppenstufe und stand da, lächelnd, den Hut in der Hand, wie das junge Mädchen auf dem Bild. Ich wartete auf das Händeklatschen und das Gelächter, während ich langsam die Stufen hinabstieg, aber niemand klatschte, niemand rührte sich.
Sie starrten mich alle entgeistert an. Beatrice stieß einen kleinen Schrei aus, hielt sich aber gleich darauf erschrocken den Mund zu. Lächelnd, die eine Hand auf dem Geländer, ging ich weiter.
«Wie geht es Ihnen, Mr. de Winter?» sagte ich. Maxim regte sich nicht. Er starrte mich mit kreideweißem Gesicht an. Ich sah, wie Frank auf ihn zuging, als wollte er etwas sagen, aber Maxim wies ihn mit einer ungeduldigen Bewegung zurück. Ich zögerte, bevor ich die nächste Stufe betrat. Irgend etwas stimmte da nicht; sie hatten nicht verstanden. Warum sah Maxim so aus? Warum standen sie dort alle starr und steif wie Kleiderpuppen, wie von einem Zauberstab berührt?
Endlich ging Maxim auf die Treppe zu, ohne eine Sekunde den Blick von mir abzuwenden.
«Was soll das in drei Teufels Namen heißen?» fuhr er mich an. Seine Augen funkelten vor Zorn aus seinem bleichen Gesicht.
Ich stand wie gelähmt. «Es ist doch das Porträt», sagte ich, von seinem Blick und seiner Stimme entsetzt. «Das Porträt oben in der Galerie.»
Es entstand ein langes Schweigen. Wir starrten einander immer noch an. Niemand rührte sich. Ich schluckte und faßte mir mit der Hand an den Hals. «Was ist denn?» fragte ich, «was habe ich getan?»
Wenn sie mich nur nicht so anstarren wollten, dachte ich, mit diesen ausdruckslosen Gesichtern. Wenn nur jemand etwas sagen wollte! Als Maxim wieder sprach, erkannte ich seine Stimme nicht; sie klang eisig kalt und scharf. So hatte ich sie noch nie gehört.
«Geh wieder rauf und zieh dich um», sagte er. «Ganz gleich, was. Irgendein Abendkleid, was du gerade findest. Aber mach schnell, bevor jemand kommt.»
Ich konnte nichts antworten, ihn nur entsetzt anstarren. Seine Augen waren das einzig Lebendige in diesem toten-blassen Antlitz.
«Was stehst du noch da?» sagte er in einem seltsamen Tonfall. «Hast du nicht gehört, was ich sagte?»
Ich wandte mich um und lief blindlings die Treppe wieder hinauf. Auf der Galerie erhaschte ich den erstaunten Blick des Trommlers, der mich angekündigt hatte. Ich ha-stete an ihm vorüber, stolperte, sah kaum, wo ich hinlief, denn die Tränen verschleierten mir die Augen.
Ich wußte nicht, was geschehen war. Clarice war fort. Der Korridor lag verlassen da. Ich sah mich benommen und ratlos um wie ein gehetztes Tier. Dann erst bemerkte ich, daß die Tür zum Westflügel weit offen stand und daß eine Gestalt im Türrahmen lehnte.
Es war Mrs. Danvers. Ich werde nie den Ausdruck auf ihrem Gesicht vergessen. Eine boshafte Schadenfreude leuchtete aus ihren Augen. Das Gesicht eines frohlocken-den Teufels! So stand sie da und lächelte mich an.
Und ich lief von ihr fort, den langen schmalen Gang entlang in mein Schlafzimmer, stolpernd, fast fallend, als meine Füße sich in den weiten Falbeln des Kleides verfingen.
17
Clarice erwartete mich in meinem Schlafzimmer. Sie sah blaß und erschreckt aus, und als sie mich erblickte, brach sie in Tränen aus. Ich sagte nichts, sondern begann an den Haken des Kleides zu zerren, daß der Stoff einriß. Ich kam allein nicht damit zurecht, und die laut weinende Clarice half
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