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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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vorbeitanzte; der Schleier glitt immer wieder von ihrem roten erhitzten Gesicht, und das Klimpern ihrer Armreifen war durch den ganzen Saal zu hören. Und ich sehe mich selbst, wie ich mich von Giles, der in seiner Warmherzigkeit glaubte, sich um mich kümmern zu müssen und sich nicht abweisen lassen wollte, in einem wilden Tanz herumwirbeln ließ, wobei er mich so geschickt durch die bunte ausgelassene Menge lenkte wie sein Pferd beim Hindernisreiten. «Da hast du aber mal wirklich ein nettes Kleid an», hörte ich ihn sagen. «Dagegen fallen alle diese albernen Kostüme mächtig ab.»
    Und ich hätte ihn segnen mögen für diesen rührend einfachen Beweis seines Verständnisses und seines Mitgefühls; er dachte wahrhaftig, der Gute, ich sei enttäuscht, weil ich das Kostüm hatte ausziehen müssen; daß mein einfaches Abendkleid mich bekümmerte, daß ich mich über so etwas grämte.
    Frank brachte mir einen Teller mit Huhn und Schinken, von dem ich nichts essen konnte, und Frank stand neben mir mit einem Glas Champagner, den ich nicht trinken mochte.
    «Bitte, tun Sie es doch», sagte er leise, «ich glaube, es würde Ihnen guttun», und ich trank drei kleine Schlucke, um ihm einen Gefallen zu tun. Der schwarze Flecken über seinem Auge verlieh ihm ein merkwürdiges, blasses Aussehen und ließ ihn älter, fremd erscheinen. Ich entdeckte Linien in seinem Gesicht, die ich früher nicht bemerkt hatte.
    Er bewegte sich zwischen den Gästen wie ein zweiter Gastgeber; er sorgte für ihr Wohlbefinden, achtete darauf, daß sie zu trinken, zu essen und zu rauchen hatten, und er tanzte auch in einer feierlichen, pedantischen Art, indem er seine Partnerinnen mit verbissenem Gesicht über die Tanzfläche spazierenführte. Seine Scheu hinderte ihn daran, seine Piratenrolle mit Leib und Seele zu spielen, und der angeklebte Backenbart, der sich flauschig von der roten Kopfbedeckung über seine Wangen herabzog, hatte in meinen Augen etwas Tragisches. Ich stellte mir vor, wie er in seinem Junggesellenzimmer vor dem Spiegel stand und ihn sich zurechtzupfte. Armer, lieber Frank! Ich fragte ihn nicht, und deshalb erfuhr ich auch nie, wie sehr er diesen letzten Kostümball auf Manderley verwünscht hatte.
    Die Kapelle spielte unermüdlich, und die Paare bewegten sich im Tanz wie schwankende Marionetten hin und her, auf und ab, von einem Ende der großen Halle zum anderen, und es war nicht ich, die ihnen zusah, nicht ein fühlendes Wesen aus Fleisch und Blut, sondern eine leblose Puppe mit einem angemalten Lächeln. Die Gestalt daneben schien ebenfalls aus Holz.
    Ihr Gesicht glich einer lächelnden Maske, und die Augen waren die Augen des Mannes, den ich liebte. Sie sahen durch mich hindurch oder über mich hinweg mit einem kalten ausdruckslosen Blick, der in eine Folterkammer starrte, wohin ich ihm nicht folgen konnte, in eine innere Hölle, zu der ich keinen Zugang hatte.
    Er sprach nicht mit mir, er rührte mich nicht an. Wir standen nebeneinander, der Hausherr und die Dame des Hauses, und waren einander doch so fern. Ich beobachtete die Höflichkeiten, die er seinen Gästen erwies. Dem einen warf er ein Wort zu, einem anderen einen Scherz, grüßte mit einem Nicken einen dritten, bedachte einen vierten mit einem Lächeln, und niemand außer mir ahnte, daß jede Bewegung, die er machte, jede Äußerung, die er tat, der automatischen Reaktion einer Maschine glich. Wir waren wie zwei Schauspieler, die im gleichen Stück auftreten, aber nicht aufeinander eingespielt sind. Wir allein litten darunter; wir mußten diese klägliche, verlogene Komödie zu Ende führen, weil alle diese Menschen es von uns verlangten, diese Menschen, die ich nicht kannte und die ich nie wiedersehen wollte.
    Der Schicksalswalzer, die Blaue Donau, die Lustige Witwe – eins-zwei-drei, eins-zwei-drei, und rechts herum und links herum und eins-zwei-drei und rechts herum und links herum und eins-zwei-drei. Die Erdbeerdame, eine grüne Dame, dann wieder Beatrice mit
    zurückgeschlagenem Schleier, Giles mit schweißströmendem Gesicht, dann der Chinese mit einer neuen Partnerin; sie blieben bei uns stehen; ich kannte die Frau nicht, sie war im Tudor-stil gekleidet, trug eine weiße Halskrause und ein schwarzes Samtkleid.
    «Wann besuchen Sie uns mal?» fragte sie mich, als ob wir alte Bekannte wären, und ich antwortete: «In den nächsten Tagen; wir sprachen neulich erst davon», und wunderte mich, daß mir das Lügen plötzlich so leicht fiel.
    «Ein

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