Rebecca
dem Treppenabsatz aus konnte ich das Bild der Caroline de Winter in der Galerie sehen, die Locken, die ihr Gesicht umrahmten, und das Lächeln auf ihren Lippen.
Mir fiel wieder ein, was die Frau des Bischofs damals gesagt hatte, als ich sie besuchte:
«Dieser einzigartige Kontrast zwischen dem lockigen dunklen Haar und dem schneeweißen Kleid.» Daran hätte ich denken müssen, dann hätte ich Bescheid gewußt. Wie merkwürdig sich die Instrumente auf der Galerie ausnahmen, die Pulte und die große Trommel. Einer von den Musikern hatte sein Taschentuch auf seinem Stuhl liegenlassen. Ich beugte mich über das Geländer und blickte in die Halle hinab. Bald würde die Schar der Gäste sie füllen. Ihre froh erregten Stimmen würden von der hohen Decke widerhallen, und die Musik würde von hier oben zum Tanz aufspielen.
Dann wäre es um die Stille hier geschehen. Hinter mir knackte es. Ich wandte mich hastig um, aber niemand war da. Die Galerie war menschenleer wie zuvor. Ein Luftzug traf mein Gesicht; jemand mußte ein Fenster im Gang geöffnet haben. Das Stimmengewirr aus dem Eßzimmer schwoll an und ebbte wieder ab. Wie es wohl kam, daß die Dielen geknackt hatten, obwohl ich mich nicht gerührt hatte? Vielleicht arbeitete das alte Holz in der abendlichen Sommerwärme. Ich spürte den Zug immer noch. Ein Notenblatt flatterte von dem einen Pult zu Boden. Ich ging wieder durch die Galerie zurück, und als ich zum Korridor kam, sah ich, daß die Tür zum Westflügel weit offen stand. Es war dunkel in dem angrenzenden Flur, und ich fühlte den Wind durch ein offenes Fenster mir ins Gesicht wehen.
Ich tastete nach einem Lichtschalter, konnte aber keinen finden. Jetzt sah ich, welches Fenster es war: das vor dem Knick im Gang; die Vorhänge bauschten sich im Luftzug. Das graue Dämmerlicht zeichnete seltsame Schatten auf den Fußboden. Durch das Fenster hörte ich das Meer, das leise Rauschen, wenn die Wellen bei Ebbe vom Strand zurückfluten.
Ich schloß das Fenster nicht. Einen Augenblick lang blieb ich noch fröstelnd in meinem dünnen Kleid stehen und lauschte dem seufzenden Atem der See. Dann drehte ich mich um, schloß hastig die Tür hinter mir zu und ging zur Treppe zurück.
Unten klangen die Stimmen jetzt lauter herauf. Die großen Flügeltüren des Eßzimmers waren aufgeschlagen; man hatte die Tafel aufgehoben. Robert stand an der offenen Tür; ich hörte Stühlerücken und lebhaftes Reden und Lachen.
Langsam schritt ich die Treppe hinunter, um unsere Gäste zu begrüßen.
Wenn ich an jenen Ball von Manderley zurückdenke – meinen ersten und auch meinen letzten –, dann stehen nur unzusammenhängende Momentbilder vor meinem Auge, aber als Ganzes ist er mir keine Erinnerung mehr. Den Hintergrund bildete ein dunstiges Meer von unbekannten Gesichtern, und von der Galerie kam endlos eintönig ein Wimmern und Dudeln im Dreivierteltakt. Dieselben Paare drehten sich im Kreise mit demselben gefrorenen Lächeln, und mir, die ich neben Maxim unten am Fuß der Treppe die Nachzügler unter unseren Gästen begrüßte, kamen die Tanzenden wie Marionetten vor, die eine unsichtbare Hand an unsichtbaren Fäden sich drehen und wenden ließ.
Da war eine Frau – ihren Namen habe ich nie erfahren, noch habe ich sie je wiedergesehen: sie trug ein erdbeerfarbenes Krinolinenkleid; welches Jahrhundert es repräsentieren sollte, konnte ich nicht feststellen; und jedesmal, wenn sie an mir vorüberkam, spielte die Kapelle einen besonders schwungvollen Walzertakt, zu dem sie sich wiegend in den Armen ihres Partners zurücklehnte und mich gleichzeitig anlächelte. Das geschah jedesmal, bis es zu einer automatischen Geste wurde, einer regelmäßigen Wiederholung wie jene Begegnungen bei einem Spaziergang an Deck eines Schiffes, bei dem man genau weiß, daß sie immer an der gleichen Stelle stattfinden werden.
Ich erinnere mich noch, wie Robert eine Schüssel Halb-gefrorenes fallen ließ und was für ein Gesicht Frith machte, als er feststellte, daß Robert der Schuldige war und nicht einer von den Lohndienern. Ich fühlte eine Regung, auf Robert zuzugehen und mich neben ihn zu stellen und zu sagen: ‹Ich weiß, wie Ihnen zumute ist, ich kann Sie verstehen, ich habe heute abend Schlimmeres angerichtet.›
Ich spüre noch das gekünstelte steife Lächeln um meine Lippen, das von der Verzweiflung in meinen Augen Lügen gestraft wurde. Ich sehe die liebe, taktlose Beatrice, wie sie mir ermunternd zunickte, während sie an mir
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