Rebecca
Maxims Stimmungen.
Wie er es vermied, von Rebecca zu sprechen, Rebeccas Namen zu nennen. Maxims Ärger, als ich zum ersten Mal in die andere Bucht hinüberkletterte. «Wenn du meine Erinnerungen hättest, würdest du auch nicht dorthin gehen wollen.» Wie er den Pfad durch den Wald hinaufgestürmt war, ohne sich umzusehen. Maxim, wie er nach Rebeccas Tod in der Bibliothek auf-und abgegangen war, auf und ab, hin und her. «Ich bin ziemlich überstürzt abgereist», hatte er zu Mrs. Van Hopper gesagt, während eine messer-scharfe Falte sich zwischen seinen Brauen eingrub. «Man behauptet, er könne den Tod seiner Frau nicht verwinden.»
Der Kostümball gestern abend, und ich in demselben Kleid wie Rebecca oben auf dem Treppenabsatz. «Ich habe Rebecca getötet», hatte Maxim gesagt. «Ich erschoß Rebecca in dem Bootshaus am Waldrand.» Und der Taucher hatte sie dort unten auf dem Boden der Kajüte entdeckt …
«Was sollen wir tun?» fragte ich. «Was sollen wir sagen?»
Maxim antwortete nicht. Er stand an den Kaminsims gelehnt und starrte mit weit aufgerissenen Augen vor sich hin.
«Weiß noch jemand davon?» fragte ich. «Irgend jemand?»
Er schüttelte den Kopf. «Nein», sagte er.
«Nur du und ich?»
«Ja, nur du und ich.»
«Und Frank?» sagte ich plötzlich. «Bist du sicher, daß Frank nichts davon ahnt?»
«Wie könnte er?» sagte Maxim. «Es war finstere Nacht, und niemand wußte, daß ich zum Bootshaus gegangen war.» Er hielt inne, ließ sich in einen Sessel fallen und stützte seinen Kopf in die Hände. Ich ging zu ihm und kniete bei ihm nieder. Er saß regungslos still. Ich zog seine Hände vom Gesicht und blickte ihm in die Augen. «Ich liebe dich», flüsterte ich. «Ich liebe dich. Willst du mir nicht glauben?» Er bedeckte mein Gesicht und meine Hände mit Küssen. Wie ein Kind, das Schutz sucht, hielt er meine beiden Hände umklammert.
«Ich dachte, ich würde wahnsinnig», sagte er. «Wie ich hier untätig sitzen mußte, Tag für Tag, und darauf wartete, daß sich etwas ereignete. Dort am Schreibtisch sitzen zu müssen und auf die Kondolenzbriefe zu antworten. Die Nachrufe in den Zeitungen, die Pressereporter, das ganze Nachspiel eines Unglücksfalles. Und dann sich zu zwingen, normal und natürlich zu erscheinen, zu essen und zu trinken. Und Frith und Robert und das ganze Personal.
Und Mrs. Danvers. Mrs. Danvers, die ich nicht zu entlassen wagte, denn bei ihrer Liebe zu Rebecca hätte sie vielleicht etwas ahnen, etwas vermuten können … Und Frank, der Freund, der sich nie aufdrängte, aber mir auch nie von der Seite wich. ‹Warum verreist du nicht?›
fragte er mich,
‹Ich werde hier schon allein fertig. Du solltest etwas aus-spannen›. Und Giles und Bee, die gute taktlose Bee. ‹Du siehst aus wie eine lebendige Leiche; warum gehst du nicht einmal zum Arzt?› Ihnen allen mußte ich ins Auge blicken und mit ihnen sprechen, obwohl doch jedes Wort, das ich sagte, eine Lüge war.»
Ich ließ seine Hände nicht los und schmiegte mich noch enger an ihn. «Fast hätte ich’s dir einmal schon gesagt», fuhr er fort, «damals, als Jasper uns über die Felsen davon-lief und du ins Bootshaus gingst, um nach einer Schnur zu suchen. Damals saßen wir auch hier, und dann kamen Frith und Robert mit dem Tee.»
«Ja», sagte ich. «Ich weiß noch; warum hast du es mir nur nicht gesagt? Wieviel Zeit haben wir nutzlos verstreichen lassen; wie glücklich hätten wir in all diesen Wochen und Tagen sein können!»
«Du bist mir immer ausgewichen», sagte er. «Du bist mit Jasper spazierengegangen, du hast dich versperrt. Du bist nie so wie jetzt zu mir gekommen.»
«Warum hast du es mir nur nicht gesagt?» flüsterte ich. «Warum nur?»
«Ich dachte, du wärest unglücklich und langweiltest dich», erwiderte er. «Ich bin so viel älter als du. Du schienst dich mit Frank viel besser unterhalten zu können als mit mir. Mir gegenüber warst du immer so merkwürdig, so verlegen und scheu.»
«Wie konnte ich denn zu dir kommen, wenn ich wußte, daß du an Rebecca dachtest?» sagte ich. «Wie konnte ich erwarten, daß du mich liebst, wenn ich annehmen mußte, daß du noch immer Rebecca liebtest?» Er zog mich fest an sich und blickte mir forschend in die Augen.
«Wovon redest du? Was meinst du damit?»
Ich richtete mich auf. «Wenn du zu mir sprachst und mich ansahst, mit mir spazierengingst oder wenn wir zusammen aßen, ich hatte immer das Gefühl, daß du bei dir dachtest: ‹Das habe ich mit
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