Rebecca
Rebecca getan, und das und das.›» Er sah mich betroffen an, als habe er meine Worte nicht richtig verstanden. «Hatte ich denn nicht recht?» fragte ich.
«O mein Gott!» sagte er. Er schob mich von sich fort, stand wieder auf und begann von neuem im Zimmer hin-und herzugehen.
«Was ist denn? Was hast du denn?»
Er schnellte herum und starrte mich an. «Du dachtest, ich liebe Rebecca?» fragte er mit leiser Stimme. «Du dachtest, daß ich sie getötet habe, obgleich ich sie liebte? Ich haßte sie, will ich dir sagen; unsere Ehe war von Anfang an eine Farce. Sie war durch und durch verdorben und böse und verkommen. Wir haben einander nie geliebt, wir sind nicht einen Tag glücklich zusammen gewesen. Rebecca war unfähig zu lieben; Zärtlichkeit und Anstand waren ihr fremd. Sie war nicht ganz normal.»
Ich saß auf dem Boden, die Arme um meine Knie geschlungen, und sah ihn entgeistert an.
«Klug war sie allerdings», sagte er. «Verdammt klug. Niemand, der sie kannte, hätte etwas anderes gedacht, als daß sie eine große Dame und die Liebenswürdigkeit und die Güte in Person sei. Sie wußte genau, wie sie die Menschen zu nehmen hatte, und verstand es, sich jeder Stimmung anzupassen. Wenn sie dich kennengelernt hätte, dann wäre sie Arm in Arm mit dir in den Garten gegangen, hätte Jasper gerufen und sich mit dir über Blumen, Musik und Malerei unterhalten, über irgend etwas, wofür sie ein Interesse bei dir vermuten durfte; und du wärst genau wie die anderen ihrem Reiz erlegen. Du hättest zu ihren Füßen gesessen und sie angebetet.»
Mit ruhelosen Schritten durchquerte er die Bibliothek, auf und ab, auf und ab.
«Als ich sie heiratete, hieß es, ich sei der glücklichste Mensch auf der Welt. Sie war so schön, so begabt und so geistreich. Selbst Granny, die damals noch an jedem jungen Menschen etwas auszusetzen hatte, war von Anfang an von ihr bezaubert. ‹Sie hat die drei Eigenschaften, die eine Frau haben muß›, sagte sie zu mir, ‹Schönheit, Geist und eine gute Kinderstube.› Ich glaubte ihr oder zwang mich wenigstens, ihr zu glauben; aber ein leiser Zweifel regte sich schon damals in meinem Unterbewußtsein. Etwas in Rebeccas Augen …»
Stück für Stück ging das Puzzlespiel seiner Vollendung entgegen, und die wahre Rebecca nahm vor meinen Augen Gestalt an und trat aus ihrem Schattendasein wie ein totes Porträt, das plötzlich zum Leben erweckt wird. Rebecca, mit blutigen Sporen den Hengst bändigend; Rebecca, das Leben mit beiden Händen anpackend; Rebecca, wie sie sich mit einem triumphierenden Lächeln über die Galerie-brüstung beugt.
Und ich sah mich wieder am Strand neben dem armen erschrockenen Ben stehen. «Sie sind so freundlich», hatte er gesagt, «gar nicht wie die andere. Sie werden mich doch nicht in die Anstalt sperren lassen, nicht wahr?» Durch den Wald wanderte des Nachts eine hohe schlanke Gestalt; man fürchtete sie wie eine Schlange …
Maxim sprach noch. Maxim ging in der Bibliothek auf und ab. «Ich bin schnell klug geworden», sagte er. «Fünf Tage nach unserer Hochzeit. Du erinnerst dich an den Berg über Monte Carlo, zu dem wir gefahren sind? Ich wollte wieder dort stehen und mich erinnern. Sie hatte lachend dort oben gesessen, und ihr schwarzes Haar flatterte im Wind. Sie erzählte mir von sich selbst, Dinge, die ich keiner Menschenseele wiedererzählen kann. Da erkannte ich, was ich getan, wen ich geheiratet hatte. Schönheit, Geist und gute Kinderstube – mein Gott!»
Er brach unvermittelt ab. Er stellte sich ans Fenster und blickte in den Garten hinaus.
Plötzlich fing er an zu lachen. Er stand dort und lachte hemmungslos. Mich schauderte, ich konnte es nicht ertragen, ich fürchtete mich.
«Maxim!» rief ich, «Maxim!»
Er zündete sich eine Zigarette an und rauchte schweigend. Dann wandte er sich wieder zu mir um. «Damals hätte ich sie beinahe schon getötet», sagte er. «Es wäre so leicht gewesen. Ein einziger falscher Schritt. Du erinnerst dich gewiß an den Abgrund. Ich erschreckte dich, nicht wahr? Du dachtest wahrscheinlich, ich sei wahnsinnig.
Vielleicht war ich es auch. Vielleicht bin ich es noch. Es ist schwer, normal zu bleiben, wenn man mit einem Teufel zusammenleben muß.»
Ich folgte mit den Augen seinen nervösen Schritten hin und her, hin und her.
«Da oben am Rand des Abgrundes traf sie ein Abkommen mit mir. ‹Ich werde das Haus für dich führen›, sagte sie zu mir. ‹Ich werde dein wunderbares Manderley in Schwung
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