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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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mir dann in einem klaren Muster präsentieren. Aber noch bin ich ein Schemen; ich habe kein Herz und keine Gedanken und kein Gefühl. Ich bin eine leblose Form in Maxims Arm. Dann fing Maxim an, mich zu küssen. So hatte er mich noch nie geküßt. Ich umklammerte seinen Kopf mit meinen Händen und schloß die Augen.
    «Ich liebe dich so sehr», flüsterte er.
    Das hatte ich Tag und Nacht von ihm zu hören gehofft, und jetzt sagte er es endlich. Darauf hatte ich in Monte Carlo, in Italien und hier in Manderley gewartet. Jetzt sagte er es. Ich öffnete die Augen und sah hinter seinem Kopf ein Stück des Vorhangs. Er fuhr fort, mich zu küssen, hungrig, verzweifelt, während er immer wieder meinen Namen flüsterte. Ich betrachtete den Vorhang, und es fiel mir auf, daß der Stoff an einer Stelle von der Sonne aus-gebleicht war. Wie ruhig ich bin, dachte ich, wie kühl.
    Hier beobachte ich ein gleichgültiges Stück Vorhang, während Maxim mich küßt und mir zum ersten Mal sagt, daß er mich liebt. Plötzlich hielt er inne, schob mich von sich und stand auf. «Siehst du, ich hatte recht», sagte er. «Es ist zu spät. Du liebst mich nicht mehr. Und warum solltest du auch?»
    Er ging durchs Zimmer und lehnte sich an den Kaminsims. «Wir wollen das eben vergessen», sagte er. «Es wird nicht wieder vorkommen.»
    Das Verstehen brandete in mir empor, und mein Herz begann wild in panischem Schrecken zu klopfen. «Es ist nicht zu spät», rief ich und lief zu ihm hin und warf meine Arme um ihn.
    «So darfst du nicht sprechen, du verstehst nicht. Ich liebe dich mehr als alles in der Welt.
    Aber eben war ich noch zu benommen und erschüttert, um etwas fühlen zu können, als du mich küßtest. Ich begriff gar nichts. Jede Empfindung hatte mich verlassen.»
    «Ja», sagte er, «du liebst mich nicht mehr, deshalb hast du nichts gefühlt. Ich verstehe sehr gut. Ich habe zu lange gewartet, nicht wahr?»
    «Nein», sagte ich.
    «Ich hätte nicht so lange warten dürfen», sagte er. «Ich hätte daran denken müssen, daß Frauen anders sind als Männer.»
    «Bitte küß mich wieder, Maxim, bitte!»
    «Nein», sagte er, «es hat keinen Sinn mehr.»
    «Jetzt können wir einander nie mehr verlieren», sagte ich. «In Zukunft werden wir immer zusammen sein, und kein Schatten, kein Geheimnis wird zwischen uns stehen. Bitte, Liebster, bitte!»
    «Für uns gibt es keine Zukunft», sagte er. «Wir haben nur noch ein paar Tage, vielleicht nur Stunden. Wie können wir jetzt noch zusammenbleiben? Ich erzählte dir doch, daß man das Boot gefunden hat. Man hat Rebecca gefunden.»
    Ich starrte ihn verständnislos an. «Und was wird geschehen?» fragte ich.
    «Man wird die Leiche identifizieren», sagte er, «und sie werden alles in der Kajüte finden, was ihnen diese Aufgabe erleichtert: ihre Kleider, ihre Schuhe, die Ringe an ihren Fingern.
    Und dann wird man sich jener anderen Frau erinnern, die an Rebeccas Stelle begraben wurde.»
    «Und was wirst du tun?» flüsterte ich.
    «Ich weiß nicht», sagte er. «Ich weiß nicht.»
    Ich fühlte, wie mein Empfindungsvermögen wieder zu-rückkehrte, ganz allmählich, wie ich es erwartet hatte. Meine Hände waren nicht mehr kalt, sondern warm und feucht. Ich fühlte, wie mir das Blut ins Gesicht stieg. Meine Wangen glühten. Ich dachte an Captain Searle, den Taucher, den Agenten von Lloyd, an alle die Männer, die sich über die Reling des gestrandeten Schiffes gelehnt und in die Tiefe gestarrt hatten; ich dachte an die Ladenbesitzer von Kerrith, an die Laufburschen, die pfeifend durch die Straßen gingen, an den Pfarrer in der Kirche, an Lady Crowan beim Rosenschneiden in ihrem Garten, an die Frau mit dem rosagestreiften Kleid und ihren kleinen Jungen. Bald würden sie es alle wissen, in wenigen Stunden.
    Eine Leiche in der Kajüte. Rebecca lag in der Kajüte auf dem Boden, nicht in der Familiengruft. Dort lag eine andere Frau. Maxim hatte Rebecca getötet. Rebecca war gar nicht ertrunken. Maxim hat sie getötet. Er hatte sie in dem Bootshaus am Waldrand erschossen. Er hatte die Tote in das Boot getragen und das Boot draußen in der Bucht versenkt. Die einzelnen Stücke des Puzzlespiels drängten sich jetzt, das Muster zu vervollständigen. Unzusammenhängende Bilder zogen blitzartig durch meine verwirrten Gedanken. Maxim neben mir im Wagen in Südfrankreich.
    «Vor einem Jahr ereignete sich etwas, was mein Leben von Grund auf geändert hat. Ich mußte ganz von vorn anfangen …» Maxims Schweigen,

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