Rebecca
unwahrscheinlich vor, daß ich gestern um diese Zeit mein weißes Kostüm angezogen und dort vor dem Spiegel die Lockenperücke aufgesetzt hatte. Frith, der seinen freien Nachmittag gehabt hatte, servierte.
Sein Gesicht war ausdruckslos wie immer. Ich hätte gern gewußt, ob er wohl in Kerrith gewesen war und dort irgend etwas gehört hatte.
Nach dem Essen gingen wir wieder in die Bibliothek. Wir sprachen nicht viel. Ich saß zu Maxims Füßen und lehnte meinen Kopf an seine Knie. Seine Finger spielten in meinem Haar, aber nicht mehr so mechanisch wie früher. Es war nicht mehr das Streicheln, mit dem er Jasper bedachte. Ich fühlte seine Fingerspitzen auf meiner Kopf-haut. Hin und wieder beugte er sich zu mir herab und küßte mich. Oder er sagte etwas zu mir. Zwischen uns stand kein Schatten mehr, und wenn wir schwiegen, dann war es ein Schweigen der Zugehörigkeit. Ich wunderte mich, daß ich mich so glücklich fühlen konnte, obwohl unsere Zukunft im Finstern lag. Es war ein eigenartiges Glücksgefühl, nicht das, von dem ich geträumt und das ich erwartet hatte. Es war nicht das Glück, das ich mir in einsamen Stunden ausmalte, wenn ich nachts nicht schlafen konnte.
Es war ein ruhiges, stilles Glück. Die Fenster in der Bibliothek standen weit offen, und ein düsterer Abendhimmel schaute zu uns herein.
Es mußte nachts geregnet haben, denn als ich am nächsten Morgen aufwachte, kurz nach sieben, und aus dem Fenster blickte, sah ich, daß die Rosen die Köpfe hängen ließen und der Rasen silbrig naß glänzte. Maxim hatte mich nicht geweckt, als er um fünf aufstand. Er mußte sich ganz geräuschlos in sein Ankleidezimmer geschlichen haben. Jetzt war er dort unten in der Bucht mit Captain Searle und Oberst Julyan und den Arbeitern vom Leichter.
Der Kran würde Rebeccas Boot vom Meeresboden heben. Ich konnte ganz kühl und ruhig daran denken. Ich stellte sie mir alle da unten in der Bucht vor, und wie der kleine, dunkle Schiffskörper an die Oberfläche kam, verquollen und mit Tang und Muscheln bedeckt. Und wenn der Kran ihn dann in die Luft hob, würde das Wasser zu beiden Seiten herab ins Meer strömen. Die Planken würden ein grau-es weiches, an einigen Stellen sogar schwammiges Aussehen haben und nach Schlamm und den glatten schwarzen Algen riechen, die nur tief unten im Wasser wachsen, wo Ebbe und Flut ihnen nichts anhaben können. Vielleicht hing das Namensschild noch am Bug. ‹Je reviens› – die grünen Buchstaben fast ausgewaschen, die Nägel verrostet. Und unten auf dem Boden der Kajüte sah ich Rebecca liegen.
Ich nahm ein Bad, zog mich an und frühstückte wie gewöhnlich um neun. Auf meinem Teller lag ein Haufen Briefe. Dankschreiben von den Gästen des Kostümballes. Ich durchflog sie, ohne mich länger dabei aufzuhalten.
Frith erkundigte sich, ob er das Frühstück für Maxim warmstellen sollte. Ich sagte ihm, ich wüßte nicht, wann er zurückkäme. Er sei schon sehr früh fortgegangen. Frith erwiderte nichts darauf. Er blickte nur sehr ernst und würdig drein. Wieder fragte ich mich, ob er wohl etwas erfahren habe.
Nach dem Frühstück ging ich mit dem Stoß Briefe ins Morgenzimmer hinüber. Es war nicht gelüftet worden und roch etwas stickig. Ich riß die Fenster weit auf und ließ die frische Luft herein. Die Blumen auf dem Kaminsims waren verwelkt. Einzelne Blütenblätter lagen auf dem Boden.
Ich läutete, und Maud, eines der Hausmädchen, kam herbeigeeilt. «Hier ist heute morgen nicht aufgeräumt worden», sagte ich. «Nicht einmal die Fenster haben Sie aufgemacht. Und die Blumen sind verwelkt. Nehmen Sie sie bitte mit hinaus.»
Maud sah mich schuldbewußt an. «Es tut mir sehr leid, Madam», sagte sie. Dann nahm sie die Vasen vom Kaminsims.
«Ich möchte nicht, daß das noch einmal vorkommt», sagte ich.
«Ja, Madam», sagte sie und ging mit den Vasen hinaus.
Ich hatte nicht gedacht, daß es so leicht wäre, streng zu sein, und ich begriff nicht, warum es mir früher so schwer-gefallen war. Mrs. Danvers’ Menüzettel lag auf dem Schreibtisch.
Kalter Lachs in Mayonnaise, Kalbskoteletts in Aspik, Huhn in Gelee und ein Soufflé. Lauter Überbleibsel von dem kalten Büffet vom Ball. Offenbar beabsichtigte Mrs. Danvers, uns nur die Reste vorzusetzen, die sie schon gestern aufgetischt hatte. Die Küche schien es sich sehr leicht zu machen. Ich strich die Liste durch und klingelte nach Robert. «Sagen Sie Mrs.
Danvers, wir möchten etwas Warmes zu essen haben», sagte ich.
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