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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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herüber.
    «Wollen Sie nicht lieber nach oben gehen?» fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. «Nein», flüsterte ich, «nein.»
    «Dieser Favell ist in einem Zustand, in dem er zu allem fähig ist», sagte er. «Was Sie eben gesehen haben, war ja nicht gerade ein erfreulicher Anblick. Ihr Mann hatte natürlich völlig recht; aber es tut mir doch leid, daß es in Ihrer Gegenwart geschah.»
    Ich antwortete nicht. Ich beobachtete Favell, der sich langsam erhob. Er ließ sich schwer auf das Sofa fallen und fuhr sich mit dem Taschentuch übers Gesicht.
    «Hol mir jemand einen Whisky», sagte er.
    Maxim gab Frank einen Wink. Frank ging aus dem Zimmer. Keiner von uns sprach. Gleich darauf kam Frank zurück, eine Flasche Whisky und den Siphon auf einem Tablett. Er mischte Favell einen Drink. Favell trank gierig wie ein Tier. Es wirkte irgendwie sinnlich und abstoßend, wie er seinen Mund an das Glas setzte. Seine Lippen schoben sich auf eine merkwürdige Weise über den Glas-rand. Auf seiner Wange trat ein dunkelroter Fleck hervor, wo Maxim ihn getroffen hatte. Maxim stand wieder am Fenster. Mein Blick fiel auf Oberst Julyan, und ich sah, daß er Maxim mit einem eigentümlich forschenden Ausdruck betrachtete. Mein Herz begann plötzlich zu rasen.
    Warum sah der Oberst Maxim so an? Konnte es bedeuten, daß er zu zweifeln begann und mißtrauisch wurde?
    Maxim merkte es nicht, denn er sah in den Regen hinaus, der mit unverminderter Heftigkeit herunterströmte.
    Das Rauschen weckte ein Echo im Zimmer. Favell trank seinen Whisky aus und stellte dann das Glas auf den Tisch. Er atmete schwer. Er sah keinen von uns an, sondern starrte vor sich auf den Fußboden.
    Im Nebenraum läutete das Telephon; der Ton schrillte disharmonisch in die Stille hinein.
    Frank ging, um zu antworten.
    Er kam gleich wieder und sah Oberst Julyan an. «Es ist Ihre Tochter», sagte er. «Sie fragt, ob mit dem Essen auf Sie gewartet werden soll.»
    Oberst Julyan machte eine ungeduldige Handbewegung. «Nein, sagen Sie ihr bitte, sie sollen schon anfangen. Ich wüßte noch nicht genau, wann ich zurückkäme.» Er warf einen Blick auf seine Uhr. «Komisch, hier anzurufen», murmelte er vor sich hin, «ausgerechnet in diesem Augenblick.»
    Frank ging zum Telephon zurück, um die Bestellung auszurichten. Ich dachte an die Tochter am anderen Ende der Leitung. Der kleine Haushalt war unseretwegen
    durcheinandergekommen. Ihre abendlichen Gewohnheiten waren aus dem Gleis gebracht worden. All diese kleinen Nichtigkeiten waren nur eine Folge davon, daß Maxim Rebecca getötet hatte. Ich sah Frank an. Sein Gesicht war blaß und ernst.
    «Ich hörte eben Robert mit dem Wagen zurückkommen», sagte er zu Oberst Julyan. «Das Fenster dort drüben geht auf die Anfahrt hinaus.»
    Er ging in die Halle hinaus. Favell hatte bei seinen Worten den Kopf gehoben, stand dann auf und blickte gespannt zur Tür. Ein böses Lächeln verzerrte sein Gesicht.
    Die Tür öffnete sich, und Frank kam herein. Er sprach über seine Schulter zu jemand draußen in der Halle.
    «Du brauchst keine Angst zu haben, Ben», sagte er, «Mr. de Winter will dir nur ein paar Zigaretten geben. Du brauchst dich nicht zu fürchten.»
    Ben kam linkisch ins Zimmer geschlurft. Seinen Südwester hielt er in der Hand. Ohne Kopfbedeckung sah er merkwürdig nackt aus. Ich sah jetzt zum erstenmal, daß sein ganzer Schädel rasiert war und er überhaupt kein Haar auf dem Kopf hatte, was ihm ein völlig anderes, abstoßendes Aussehen gab.
    Das Licht blendete ihn, und er blinzelte blöde mit seinen kleinen Augen ins Zimmer. Ich lächelte ihm unsicher zu, aber ich wußte nicht, ob er mich erkannte. Er blinzelte nur.
    Dann trat Favell langsam auf ihn zu und pflanzte sich vor ihm auf. «Hallo», sagte er, «wie ist’s dir denn ergangen, seit wir uns nicht mehr gesehen haben?»
    Ben starrte ihn an, ohne zu antworten. Sein Gesicht drückte kein Erkennen aus.
    «Na?» sagte Favell. «Du weißt doch, wer ich bin, was?»
    Ben zerknüllte seinen Südwester. «Heh?» sagte er.
    «Wie ist es denn mit einer Zigarette?» sagte Favell und hielt ihm die Schachtel hin. Ben blickte zögernd zu Maxim hinüber.
    «Nur zu», sagte Maxim, «nimm, soviel du willst.»
    Ben nahm vier heraus und steckte sich zwei hinter jedes Ohr. Dann drehte er wieder seinen Südwester in den Händen.
    «Du weißt doch, wer ich bin?» wiederholte Favell.
    Ben antwortete wieder nicht. Oberst Julyan gesellte sich jetzt zu den beiden. «Du darfst gleich

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