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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Du Maurier
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sie.
    «Ich hätte darauf bestanden, gehört zu werden. Ihr scheint euch alle gar keine Mühe gegeben zu haben. Hat es Maxim sehr mitgenommen?»
    «Er ist vor allem müde, sehr müde.»
    «Zu schade, daß ich euch nicht morgen nach London begleiten kann, aber es geht einfach nicht. Roger, der arme Kerl, hat hohes Fieber, und die Schwester, die wir haben, ist die reinste Idiotin; er kann sie nicht ausstehen. Ich kann ihn unmöglich allein lassen.»
    «Natürlich nicht», sagte ich. «Das brauchst du auch wirklich nicht.»
    «Wo wollt ihr denn hin in London?»
    «Ich weiß noch nicht recht, es ist alles noch sehr unbestimmt.»
    «Bestelle nur Maxim von mir, er soll versuchen, den Gerichtsbefund rückgängig zu machen.
    Er wirft ein so schlechtes Licht auf die Familie. Ich erzähle hier allen Leuten, es sei völliger Blödsinn. Rebecca kann unmöglich Selbstmord begangen haben. Sie war gar nicht der Mensch dazu. Ich hätte große Lust, dem alten Horridge selbst zu schreiben.»
    «Dazu ist es jetzt doch zu spät», sagte ich. «Laß es lieber sein. Du kannst doch nichts dazu tun.»
    Maxim rief mich von der Bibliothek: «Kannst du sie nicht loswerden? Was hat sie denn da so ewig zu reden?»
    «Beatrice», sagte ich verzweifelt, «ich werde versuchen, dich morgen von London aus anzurufen.»
    «Soll ich mich vielleicht mit Dick Godolphin in Verbindung setzen? Er ist doch euer Parlamentsabgeordneter, und ich kenne ihn sehr gut, viel besser, als Maxim ihn kennt. Er war mit Giles zusammen in Oxford. Frag mal Maxim, ob ich Dick anrufen soll, damit er sich der Sache annimmt.»
    «Es hat wirklich keinen Sinn», sagte ich. «Bitte, Beatrice, laß die Sache auf sich beruhen. Du würdest es nur schlimmer machen und womöglich Schaden anrichten. Es ist doch möglich, daß Rebecca einen Beweggrund gehabt hat, von dem wir nichts wissen. Bitte, Beatrice, laß lieber die Finger davon.»
    Gott sei Dank, daß sie heute nicht dabei gewesen war. Das war wenigstens etwas, wofür man Gott danken konnte! In der Leitung begann es plötzlich zu rauschen und zu surren. Ich hörte Beatrice ganz weit weg: «Hallo, hallo, unterbrechen Sie uns doch nicht!» rufen, und dann knackte es, und die Verbindung war unterbrochen.
    Völlig erschöpft von dem kurzen Gespräch, ging ich in die Bibliothek zurück. Fast unmittelbar danach läutete es wieder. Ich ließ es klingeln. Ich setzte mich zu Maxims Füßen nieder und rührte mich auch nicht, als das Läuten immer noch nicht aufhören wollte.
    Plötzlich brach es ab.
    Die Uhr auf dem Kaminsims schlug zehn. Maxim nahm mich in die Arme, und wir küßten einander fieberhaft, verzweifelt, wie heimlich Liebende, die sich zum erstenmal küssen.

26
    Als ich am nächsten Morgen kurz nach sechs aufwachte und ans Fenster trat, sah ich, daß der Tau wie Rauhreif auf dem Rasen lag und daß die Bäume in weißen Nebel gehüllt waren. Es roch nach Frost in der Luft und nach Herbst, und ein kalter Wind blies.
    Wie ich da am Fenster lehnte und in den Rosengarten hinuntersah, wo die Blumen nach dem heftigen Regen ihre welken braunen Köpfe hängen ließen, kamen mir die Ereignisse des gestrigen Tages auf einmal unwirklich und weit zurückliegend vor. Manderley begann einen neuen Tag, und den Garten berührten unsere Kümmernisse nicht.
    Eine Amsel lief mit einer hastigen Stakkatobewegung über den Rasen und hackte und zerrte hier und dort mit ihrem gelben Schnabel in der Erde. Auch eine Drossel ging ihrer Morgenbeschäftigung nach, und zwei dicke kleine Bach-stelzen jagten einander, und eine Horde Spatzen lärmte in den Bäumen. Eine Möwe ruhte schweigend und einsam auf ausgebreiteten Flügeln hoch oben in der Luft und glitt dann in seitlichem Flug über den Wald in das Glückliche Tal hinab. Das Leben und Treiben draußen nahm seinen Fortgang; unsere Sorgen und Ängste hatten keinen Einfluß darauf.
    Dieser Frieden auf Manderley! Diese stille Anmut! Wer auch in diesen Mauern lebte, was für Leid und Sorge sie auch beherbergten, was für Schmerzen und Ängste, wieviel Tränen sie auch sehen mochten – nichts konnte diesen Frieden stören, nichts die Anmut trüben. Die Blumen würden immer wieder blühen, die Vögel ihre Nester bauen, die Bäume Knospen treiben. Derselbe Moosgeruch würde der Luft seine Würze verleihen und Bienen und Grillen sie mit ihrem Summen und Singen erfüllen, und die Reiher würden wie immer tief im dunklen Wald horsten. Alljährlich würde der Flieder blühen und der Jasmin, und unter dem

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