Rebeccas Traum
Tante Jeannies Erwartungen erfüllen und saß noch mehr über ihren Büchern als vorher.
Rebecca hatte schon immer gut mit Zahlen umgehen können, und zudem war sie sehr gewissenhaft. Was lag da näher, als dies zu ihrem Beruf zu machen? Es war eine Arbeit gewesen, die ihr entsprach und Spaß machte. Sie hatte nie von einem anderen Leben geträumt.
Und nun war sie dabei, sich selbst kennen zu lernen, die Rebecca Malone, die sie nicht kannte. In den Wochen oder Monaten, die vor ihr lagen, wollte sie mehr über sich erfahren. Außerdem war sie entschlossen, sich so zu akzeptieren und zu mögen, wie sie war.
Wenn ihr Geld aufgebraucht sein würde, würde sie sich einen neuen Job suchen und wieder die vernünftige, praktische Rebecca werden. Aber bis zu diesem ungewissen Zeitpunkt würde sie reich sein, ohne Verpflichtung und bereit, alles auf sich zukommen zu lassen. Und plötzlich merkte sie, dass sie Hunger hatte.
Stephanos sah Rebecca, als sie das Restaurant betrat. Sie war eigentlich keine wirkliche Schönheit. Schöne Frauen sah man jeden Tag. Aber an dieser war etwas, das ihn faszinierte. Sie ging stolz und aufrecht, als gehöre ihr die Welt.
Stephanos betrachtete die Fremde genauer. Sie war schlank und besaß eine gute Figur und helle Haut. Sie muss gerade angekommen sein, dachte er. Das weiße Strandkleid ließ Schulter und Rücken frei und stand in aufregendem Gegensatz zu dem pechschwarzen, kurz geschnittenen Haar.
Sie blieb stehen und holte Luft, wie es schien. Dann lächelte sie dem Kellner zu und ließ sich von ihm an einen freien Tisch führen. Stephanos gefiel ihr Gesicht. Es wirkte fröhlich, intelligent und offen. Besonders beeindruckend fand er ihre Augen. Sie waren von einem blassen, beinahe durchsichtigen Grau. Aber in ihrem Ausdruck war absolut nichts Blasses. Wieder lächelte die Frau dem Kellner zu und sah sich im Raum um. Sie machte auf ihn den Eindruck, als wäre sie in ihrem Leben nie glücklicher gewesen als jetzt.
Schließlich trafen sich ihre Blicke.
Rebecca schaute rasch in eine andere Richtung, als sie bemerkte, dass der hoch gewachsene, gut aussehende Mann an der Bar sie ansah. Sie wurde oft von Männern bewundernd betrachtet, aber diese Blicke machten sie verlegen. Sie wusste nie, wie sie damit umgehen sollte. Um ihre Verwirrung zu verbergen, nahm sie die Speisekarte zur Hand.
Eigentlich hatte Stephanos gehen wollen, aber impulsiv entschied er sich anders. Er winkte den Kellner heran und sprach ein paar Worte mit ihm. Der Kellner nickte und verschwand. Gleich darauf brachte er eine Flasche Champagner an Rebeccas Tisch.
»Mit der besten Empfehlung von Mr. Nikodemos«, sagte er und deutete unauffällig mit dem Kopf zur Bar.
Rebecca sah überrascht hinüber. »Also, ich …«, stammelte sie. Doch dann riss sie sich zusammen. Eine Frau von Welt durfte sich doch nicht von einer Flasche Champagner aus dem Gleichgewicht bringen lassen.
Warum sollte sie das Geschenk eines ausgesprochen attraktiven Mannes nicht annehmen? Und vielleicht sogar ein wenig mit ihm flirten?
Fasziniert beobachtete Stephanos das wechselnde Mienenspiel auf dem Gesicht der Unbekannten. Kurz zuvor hatte er noch ein Gefühl der Langeweile empfunden. Plötzlich war es wie weggeblasen.
Als sie die Hand leicht hob und ihm zulächelte, ahnte er nicht, dass ihr Herz heftig schlug. Er nahm es nur als eine Geste des Dankes – und als Einladung, an ihren Tisch zu kommen.
Als er auf ihren Tisch zukam, bemerkte Rebecca erst, wie blendend dieser Mann aussah. Er war schlank und hoch gewachsen und hatte dichtes blondes Haar. Seine Haut war sonnengebräunt, und an seinem Kinn entdeckte sie eine kaum sichtbare Narbe. Es war ein ausdrucksstarkes Gesicht mit einem Kinn, das Willensstärke und Energie ausdrückte. Die Augen des Mannes waren dunkelblau.
»Guten Abend, ich bin Stephanos Nikodemos.« Er sprach ohne Akzent, mit tiefer voller Stimme.
»Hallo. Ich heiße Rebecca, Rebecca Malone.« Rebecca hob zur Begrüßung die Hand. Zu ihrer Überraschung führte er sie an den Mund. Die Berührung seiner warmen Lippen war wie ein Hauch. Unwillkürlich zog Rebecca die Hand schnell wieder zurück. »Vielen Dank für den Champagner.«
»Er schien mir Ihrer Stimmung zu entsprechen.« Er sah ihr forschend ins Gesicht, so als erwarte er etwas von ihr. »Sind Sie allein?«
»Ja.« Vielleicht war es ein Fehler, dies zuzugeben, aber wenn sie ihr Leben genießen wollte, musste sie eben Risiken eingehen. »Möchten Sie nicht ein Glas mit
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