Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
an Viktor Strandgård gedacht. Er zog den Rauch in tiefen Zügen ein.
Ganz ruhig, flüsterte er tröstend. Ganz ruhig.
Er hätte vielleicht zu Hause bleiben sollen. Aber wenn er den ganzen Tag in der Wohnung eingeschlossen gewesen wäre, dann wäre er wohl vom Balkon gesprungen.
Ach, red doch nicht, verspottete er sich selber. Als ob du so viel Mut aufbringen würdest. Teetassen zerschlagen und Blumentöpfe auf den Boden werfen, das schaffst du gerade noch.
Er kurbelte das Autofenster hinunter und streckte die Hand aus, um seine Passierkarte in das Lesegerät zu schieben.
Eine Hand schloss sich um sein Handgelenk, und er fuhr dermaßen zusammen, dass die Glut seiner Zigarette auf sein Knie fiel. Zuerst sah er nicht, mit wem er es zu tun hatte, und sein Magen krampfte sich vor Angst zusammen. Dann tauchte vor dem Fenster ein bekanntes Gesicht auf.
»Rebecka Martinsson«, sagte er.
Der Schnee fiel auf ihre dunklen Haare, die Flocken schmolzen auf ihrer Nase.
»Ich will mit dir reden«, sagte sie.
Er nickte zum Beifahrersitz hinüber.
»Dann steig ein.«
Rebecka zögerte. Sie dachte an die Mitteilung, die jemand an ihrem Auto hinterlassen hatte. »Du musst sterben«, hatte da gestanden.
»It’s now or never, wie der King sagt«, sagte Patrick Mattsson, beugte sich über den Beifahrersitz und öffnete die Tür.
Rebecka sah vor sich den Grubengang. Ein schwarzes Loch, das in die Unterwelt führte.
»Na gut, aber ich habe den Hund im Wagen, ich muss in einer Stunde wieder hier sein.«
Sie lief um das Auto herum, setzte sich auf den Beifahrersitz und schloss die Tür.
Niemand weiß, wo ich bin, dachte sie, als Patrick Mattsson seine Passierkarte in den Kartenleser schob, und die Schranke, die den Weg in das Bergwerk versperrte, sich langsam hob.
Er ließ die Kupplung los, und sie fuhren in die Grube hinunter.
Vor ihnen leuchteten an den Wänden des Tunnels Reflexe, und dahinter schloss sich eine kompakte Dunkelheit wie eine schwarze Samtportiere um sie.
Rebecka versuchte zu reden. Es kam ihr vor, als habe sie einen widerstrebenden Hund an der Leine.
»Ich habe Watte in den Ohren, woher kommt das?«
»Vom Höhenunterschied.«
»Wie tief geht es hier runter?«
»Fünfhundertvierzig Meter.«
»Du hast dich also auf die Pilzzucht verlegt?«
Keine Antwort.
»Shiitake, die hab ich noch nie gegessen. Du machst das allein, oder?«
»Nein.«
»Ihr seid also zu mehreren? Sind da unten jetzt noch andere?«
Keine Antwort, sie fuhren immer tiefer hinab, schneller.
Patrick Mattsson hielt vor einer unterirdischen Werkstatt. Es gab dort keine Tür, sondern nur eine weite Öffnung in der Felswand. Dahinter sah Rebecka Männer in Overalls und mit Schutzhelmen. Sie hielten Werkzeug in den Händen. Gewaltige Monster von Bohrmaschinen der Atlas Copco warteten auf Reparatur.
»Hier lang«, sagte Patrick Mattsson und ging vor ihr her.
Rebecka folgte ihm, sah zu den Männern in der Werkstatt hinüber, hoffte, dass einer sich umdrehte und sie entdeckte.
Schwarzes Urgebirge ragte zu ihren beiden Seiten auf. Hier und dort floss Wasser aus dem Gestein und färbte die Felswand grün.
»Das ist das Kupfer, das vom Wasser grün wird«, erklärte Patrick auf ihre Frage hin.
Er trat seine Zigarette aus und schloss eine schwere Stahltür in der Wand auf.
»Ich dachte, hier unten sei Rauchen verboten«, sagte Rebecka.
»Nein, wieso?«, fragte Patrik. »Hier gibt es doch keine explosiven Gase oder so.«
Sie lachte auf.
»Wie gut. Dann kannst du dich hier fünfhundert Meter unter der Erde verstecken und heimlich rauchen.«
Er hielt die schwere Tür für sie auf und streckte die Hand mit der Handfläche nach oben, zum Zeichen dafür, dass sie vor ihm hineingehen sollte.
»Ich habe das Sündenregister der Freikirche nie verstanden«, sagte sie und drehte sich zu ihm um, weil sie ihn nicht im Rücken haben wollte. »Du sollst nicht rauchen. Du sollst keinen Alkohol trinken. Du sollst nicht in die Disco gehen. Wie kommen sie bloß auf solche Ideen? Völlerei und nicht mit denen teilen, die Hilfe brauchen, solche Sünden, die in der Bibel wirklich erwähnt werden, spielen keine Rolle.«
Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss. Patrick machte Licht. Der Raum sah aus wie ein riesiger Bunker. An den Wänden waren stählerne Regale angebracht. Darin lag etwas, das aussah wie in Plastik gewickelte große Würste oder runde Holzstücke.
Rebecka fragte, und Patrick Mattsson erklärte.
»In Plastik gewickelte
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