Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
Ulmenspäne«, erklärte er. »Ihnen sind Sporen injiziert worden. Wenn sie eine bestimmte Zeit dagelegen haben, nimmt man die Plastikhülle weg und klopft sanft mit der Hand auf das Holz. Dann fangen sie an zu wachsen, und fünf Tage darauf kann man ernten.«
Er verschwand hinter einem breiten Plastikvorhang hinten im Raum. Nach einer Weile kam er mit mehreren mit Shiitakepilzen bewachsenen Holzscheiten zurück. Er legte sie auf einen Tisch und fing an, mit geübtem Griff die Pilze zu pflücken und in einen Karton fallen zu lassen. Der Geruch von Pilzen und feuchtem Holz breitete sich im Raum aus.
»Es ist hier unten ungeheuer feucht«, sagte er. »Und die Lampen sind auf den Wechsel zwischen superkurzen Nächten und Tagen eingestellt. Aber Schluss mit dem Geplauder, Rebecka, was willst du?«
»Ich will über Viktor reden.«
Er musterte sie mit ausdruckslosem Blick. Rebecka hatte das Gefühl, dass sie zu elegant gekleidet war. Jetzt standen sie auf getrennten Planeten und sollten miteinander reden. Sie mit ihrem verdammten Mantel und den dünnen, teuren Handschuhen.
»Als ich noch hier gewohnt habe, standet ihr euch nahe«, sagte sie.
»Ja.«
»Wie war er? Ich meine, nachdem ich weggezogen war.«
Hinter dem Vorhang schaltete das Bewässerungssystem sich mit dumpfem Zischen ein. Feuchtigkeit rieselte aus der Decke und strömte an dem starren, durchsichtigen Plastikvorhang nach unten.
»Er war perfekt. Schön. Hingebungsvoll. Ein fähiger Redner. Aber er hatte einen strengen Gott. Wenn er im Mittelalter gelebt hätte, hätte er sich gegeißelt und wäre auf zerschundenen Füßen an heilige Stätten gepilgert.«
Er riss die Pilze vom letzten Holzscheit und verteilte sie gleichmäßig im Karton.
»Auf welche Weise hat er sich gegeißelt?«, fragte sie.
Patrick Mattsson machte sich an den Pilzen zu schaffen, er schien eher mit ihnen zu reden als mit Rebecka.
»Du weißt schon. Die Gib-alles-auf-was-nicht-von-Gott-stammt-Schiene. Nur christliche Musik hören, denn sonst setzt man sich dem Einfluss böser Geister aus. Eine Zeitlang hatte er schreckliche Sehnsucht nach einem Hund, aber ein Hund erfordert Zeit, und Viktors Zeit gehörte Gott, und deshalb wurde nichts daraus.« Er schüttelte den Kopf.
»Er hätte sich diesen Hund zulegen sollen«, sagte er.
»Aber wie war er?«, fragte Rebecka.
»Das habe ich doch gesagt. Perfekt. Alle liebten ihn.«
»Und du?«
Patrick Mattsson gab keine Antwort.
Ich bin nicht hergekommen, um mich über Pilzzucht zu informieren, dachte Rebecka.
»Ich glaube, du hast ihn auch geliebt«, sagte sie.
Patrick zog durch die Nase Luft ein, kniff die Lippen zusammen und starrte zur Decke hoch.
»Er war ein Bluff«, sagte er heftig. »Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Und ich bin froh darüber, dass er tot ist.«
»Wie meinst du das? Wieso denn Bluff?«
»Hör auf damit«, sagte Patrick. »Lass die Sache auf sich beruhen, Rebecka.«
»Hast du ihm eine Karte geschrieben, auf der steht, dass du ihn liebst, und dass das, was ihr getan habt, nicht falsch war?«
Patrick Mattsson schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf.
»Hattet ihr ein Verhältnis oder was?«
Er brach in Tränen aus. »Frag Vesa Larsson«, schniefte er.
»Frag ihn nach Viktors Sexualleben.«
Er verstummte und suchte in seiner Tasche nach einem Taschentuch. Als er keins fand, fuhr er sich mit dem Pullover über die Oberlippe. Rebecka trat einen Schritt auf ihn zu.
»Fass mich nicht an!«, rief er.
Sie erstarrte.
»Weißt du, was du verlangst? Wo du doch einfach abgehauen bist, als es schwierig wurde?«
»Ja«, flüsterte sie.
Seine Hände flogen hoch.
»Begreifst du, dass ich den ganzen Tempel zum Einsturz bringen kann? Von der Kraftquelle und der Bewegung und der Schule und … von allem wird nur noch Asche übrig sein! Die Gemeinde kann dann aus der Kristallkirche eine Eishockeybahn machen. – Die Wahrheit wird euch befreien, so steht es geschrieben.«
Er verstummte.
»Frei!« Er spuckte dieses Wort aus. »Bist du vielleicht frei?«
Er schaute sich um, schien etwas zu suchen.
Ein Messer, dachte Rebecka blitzschnell.
Er bewegte die Hand, die Finger aneinander gelegt, die Handfläche ihr zugekehrt, und diese Geste schien zu bedeuten, dass sie warten sollte. Dann verschwand er durch eine hinten im Raum gelegene Tür. Die Tür fiel mit einem schweren Klicken ins Schloss, als er ging, dann war alles still. Nur das Tropfen der Bewässerungsanlage hinter dem Plastikvorhang. Und
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