Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
das Surren der Neonröhren.
Eine Minute verging. Rebecka musste an den Mann denken, der in den sechziger Jahren in der Grube verschwunden war. Er war nach unten gefahren, aber nie wieder nach oben gekommen. Sein Wagen stand noch auf dem Parkplatz, der Mann aber war verschwunden. Spurlos. Kein Leichnam. Nichts. Nie gefunden.
Und Tjapp im Wagen auf dem großen Parkplatz, wie lange würde sie durchhalten, wenn Rebecka nicht zurückkam? Würde sie bellen und von Passanten entdeckt werden? Oder würde sie sich einfach in dem verschneiten Wagen hinlegen und einschlafen?
Rebecka ging zu der Tür, die zum Grubengang führte, und drückte die Klinke hinunter. Zu ihrer Erleichterung war die Tür nicht abgeschlossen. Sie musste sich gewaltig zusammenreißen, um nicht wie gehetzt loszurennen. Als sie die Menschen in der Werkstatt sah und das Geräusch des verbogenen und zurecht gehämmerten Blechs hörte, verflog ihre Angst.
Ein Mann kam aus der Werkstatt zum Vorschein. Er nahm seinen Helm ab und ging zu einem der draußen stehenden Autos.
»Fahren Sie nach oben?«, fragte Rebecka.
»Ja, wieso?«, fragte er lächelnd. »Wollen Sie mit?«
Sie fuhr mit dem Mann aus der Werkstatt nach oben. Sie spürte seinen belustigten und neugierigen Seitenblick. Aber natürlich konnte er in der Dunkelheit nicht viel sehen.
»Ja, ja«, sagte er. »Kommen Sie öfter her?«
TJAPP MACHTE REBECKA laute Vorwürfe, als sie zum Wagen auf dem Bergwerksparkplatz zurückkehrte.
»Tut mir Leid, Herzchen«, sagte Rebecka, und ihr Gewissen versetzte ihr einen Stich. »Jetzt holen wir bald Sara und Lova ab, und danach machen wir einen langen Spaziergang, das versprech ich dir. Wir müssen nur erst noch schnell beim Finanzamt vorbeischauen und da im Computer etwas nachsehen, okay?«
Durch das Schneegestöber fuhr sie zum lokalen Finanzamt.
»Ich hoffe, das hört bald mal auf«, sagte sie zu Tjapp. »Aber jetzt sieht es ja nicht gerade hoffnungsvoll aus. Ich kann einfach keine Logik darin erkennen.«
Tjapp saß neben ihr auf dem Vordersitz und hörte aufmerksam zu. Sie legte besorgt den Kopf schräg und schien jedes Wort zu verstehen, das Rebecka sagte.
Sie ist wie Omas Hund Jussi, dachte Rebecka. Hat denselben klugen Blick.
Ihr fiel ein, wie die Männer aus dem Ort immer mit Jussi geredet hatten, der kam und ging, wie er wollte. »Ihm fehlt wirklich nur die Sprache«, seufzten sie dann immer.
»Dein Frauchen hat das Verhör heute nicht so gut geschafft«, sagte Rebecka jetzt. »Sie scheint in sich zusammenzukriechen und durch das Fenster zu verschwinden, wenn sie unter Druck gesetzt wird. Hört sich abwesend und gleichgültig an. Und das bringt den Staatsanwalt zur Weißglut.«
Das Finanzamt lag im selben Klinkergebäude wie die Wache. Rebecka schaute sich um, als sie davor hielt. Das Unbehagen vom Vortag, als sie den Zettel gefunden hatte, wollte sie nicht loslassen.
»Fünf Minuten«, sagte sie zu Tjapp und schloss die Autotür ab, als sie ausgestiegen war.
Zehn Minuten später war sie wieder da. Sie legte vier Computerausdrucke ins Handschuhfach und kraulte Tjapp zwischen den Ohren.
»So, ihr Ärsche«, sagte sie triumphierend. »Jetzt solltet ihr meine Fragen ja wohl lieber beantworten. Und wir können noch etwas erledigen, ehe wir die Mädchen abholen.«
Sie fuhr zur Kristallkirche auf Sandstenberget hoch und ließ Tjapp vor sich aus dem Wagen springen.
Eine Verbündete kann ich hier wirklich brauchen, dachte sie.
Ihr Herz schlug um einiges schneller, als sie den Hang hochging und Café und Buchladen ansteuerte. Das Risiko, hier auf Bekannte zu stoßen, war doch ziemlich groß. Wenn es sich dabei nur nicht um einen Pastor oder einen Ältesten Bruder handelte.
Es spielt keine Rolle, redete sie sich ein. Es kann jetzt genauso passieren wie später.
Tjapp rannte von einer Laterne zur anderen, las und beantwortete Mitteilungen. Hier waren offenbar schon allerlei Hundeknaben unterwegs gewesen, denen sie noch nie begegnet war.
Im Buchladen war kein Mensch zu sehen außer der jungen Frau hinter dem Tresen. Rebecka war ihr noch nie begegnet. Sie hatte strähnige kurzgeschnittene Haare und trug an einer kurzen Halskette ein mit Glasperlen besetztes großes Kreuz. Sie lächelte Rebecka an.
»Sag Bescheid, wenn ich irgendwie behilflich sein kann«, säuselte sie.
Rebecka schien ihr vage bekannt vorzukommen, sie schien aber nicht zu wissen, wieso.
Bekannt aus dem Fernsehen, dachte Rebecka, nickte der Frau zu, ließ Tjapp am
Weitere Kostenlose Bücher