Rebecka Martinsson 01 - Sonnensturm
Eingang zurück, wischte sich Schnee vom Mantel und steuerte das nächststehende Regal an.
Aus den Lautsprechern strömte ziemlich leise christliche Popmusik. Glaslampen von IKEA hingen unter der Decke, und kleine Scheinwerfer ließen ihr Licht über Regale voller CDs und Bücher fluten. Die Regale mitten im Raum waren so niedrig, dass man sich zwischen ihnen nicht verstecken konnte. Rebecka schaute durch die großen Glastüren ins Café hinüber. Der Holzboden war fast trocken. An diesem Tag hatten sich nicht viele Menschen mit schneenassen Schuhen hergewagt.
»Hier ist es aber ruhig«, sagte sie zur Verkäuferin.
»Die sind alle in irgendeinem Seminar«, sagte die junge Frau.
»Wir haben doch die Wunderkonferenz.«
»Die wird abgehalten, obwohl Viktor Strandgård …«
»Ja«, antwortete die Verkäuferin eilig. »Er hätte es so gewollt. Und es war Gottes Wille. Gestern und vorgestern war ganz schön viel Presse hier. Die haben Fragen gestellt und Videos und Bücher gekauft, aber heute ist alles ruhig.«
Hier war es. Rebecka hatte Viktors Buch gefunden. »Einmal Himmel und zurück.« Es war auf Englisch, Deutsch und Französisch vorhanden. Sie drehte ein Buch um. ›Gedruckt bei VictoryPrint HB.‹ Sie drehte auch andere Bücher und Schriften um. Auch die waren bei VictoryPrint HB hergestellt. Auf den Videos stand ›Copyright VictoryPrint HB‹. Bingo.
In diesem Moment hörte sie dicht hinter sich eine Stimme.
»Rebecka Martinsson«, sagte diese Stimme viel zu laut.
»Lange nicht mehr gesehen.«
Als sie sich umdrehte, stand dicht hinter ihr Pastor Gunnar Isaksson. Er stand ganz bewusst zu nah. Sein Bauch streifte sie fast.
Das ist ein großartiger und nützlicher Schmerbauch, dachte Rebecka.
Wie eine freistehende Vorhut ragte er über seinen Gürtel und konnte ins Revier anderer Menschen eindringen, während Gunnar Isaksson selbst in angemessener Entfernung Schutz suchte. Sie besiegte ihren Impuls, zurückzuweichen.
Ich habe deine Hände auf meinem Körper ertragen, als du für mich gebetet hast, dachte sie. Also werde ich verdammt noch mal auch ertragen, dass du zu dicht vor mir stehst.
»Hallo, Gunnar«, sagte sie langsam.
»Ich habe schon darauf gewartet, dass du dich bei uns sehen lässt«, sagte er. »Ich dachte, du würdest vielleicht zur Abendandacht kommen, wo du schon in der Stadt bist.«
Rebecka schwieg. Von einem Plakat an der Wand her blickte Viktor Strandgård auf sie hinab.
»Wie findest du unseren Buchladen?«, fragte Gunnar Isaksson mit stolzem Blick in die Runde. »Den haben wir voriges Jahr gebaut. Offen zum Café hin, damit man beim Kaffee in einem Buch blättern kann. Da hinten ist auch eine Garderobe, falls dich das interessiert. Ich habe gesagt, dass wir ein Schild ans Hutregal hängen sollten: Lasst eure Vernunft hier zurück!«
Rebecka sah ihn an. Die fetten Jahre waren ihm anzumerken. Dickerer Bauch. Teures Hemd, teurer Schlips. Bart und Haare gepflegt.
»Wie mir der Buchladen gefällt?«, fragte sie. »Ich finde, die Gemeinde sollte Brunnen anlegen und Straßenkinder vom Strich in die Schule holen.«
Gunnar Isaksson musterte sie herablassend.
»Gott kümmert sich nicht um künstliche Bewässerung«, sagte er laut und mit Betonung auf »Gott«. »In dieser Gemeinde hat Sein Überfluss eine Quelle geöffnet. Durch unsere Gebete werden in aller Welt Quellen entspringen.«
Er schielte zu der Frau hinter dem Tresen hinüber und stellte zufrieden fest, dass auch ihre Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet war. Es machte mehr Spaß, Rebecka zusammenzustauchen, wenn er dabei Publikum hatte.
»Das hier«, sagte er mit großer Geste, die die Kristallkirche und alle Erfolge der Gemeinde überhaupt zu umfassen schien, »das hier ist nur der Anfang.«
»Hochtrabendes Gefasel«, sagte Rebecka trocken. »Die Armen sollen sich ihren Reichtum erbeten, ist das so zu verstehen? Sagt nicht Jesus: Wahrlich, was ihr für den geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr für mich getan? Und wie war das noch mit denen, die keine Hilfe leisten? Diese werden der ewigen Verdammnis anheim fallen, die Gerechten jedoch werden ins ewige Leben eingehen.«
Gunnar Isakssons Wangen liefen rot an. Er beugte sich zu ihr vor, und sein Atem schlug ihr ins Gesicht. Er roch nach Menthol und Apfelsinen.
»Und du glaubst also, dass du zu den Gerechten gehörst?«, flüsterte er höhnisch.
»Nein«, flüsterte Rebecka zurück. »Aber du kannst dich vielleicht schon mal darauf vorbereiten, dass du mir in der
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